Lienhard und Gertrud
55.
Ein Heuchler macht sich einen Schelmen zum Freund.
Und in ihrem Heimgehen sagte einer zum anderen: Das ist doch ein herzguter Herr - der junge Junker.Der alte wäre es auch gewesen, wenn er nicht auf hunderterlei Arten betrogen und hintergangen worden wäre, sagten die älteren Männer alle aus einem Munde.Mein Vater hat's mir tausendmal gesagt, wie er in der Jugend so gewesen, und es geblieben sei, bis er endlich ganz am Vogt den Narren gefressen hatte, sagt Aebi.Da war's aus mit des Herrn Güte; sie triefte nur in's Vogts Kisten, und der führte ihn wie einen polnischen Bären am Seil, wohin er wollte, sagte Leemann.Was er für ein Hund ist, daß er uns jetzt so ohne Befehl im Feld herumsprengt, und noch dazu allein läßt! sagt Lenk. Das ist so sein Brauch, sagte der Kienast; aber ein Hundsbrauch, erwiderte der Lenk.Ja, der Herr Untervogt ist doch ein braver Mann. Unsereiner kann eben nicht alles wissen, was vorfällt, antwortete der Kriecher fast so laut, als er konnte; denn er sah, daß der Untervogt im Hohlweg still daherschlich, und nahe bei ihnen war.Der Teufel! Du magst ihn wohl rühmen; ich einmal rühme jetzt den Junker, sagte Lenk auch ganz laut, denn er sah den Vogt nicht im Hohlwege.Dieser aber trittet eben, indem er's sagte, außer den Hag, grüßt die Nachbarn, und fragt dann den Lenk: Warum rühmst du den Junker so mächtig?Der Lenk antwortete betroffen: Ha, wir redeten da miteinander, wie er so liebreich und freundlich war. Das war aber doch nicht alles, erwidert der Vogt. Ich weiß einmal nichts anderes, sagt Lenk. Das ist nicht schön, Lenk! wenn man so seiner Worte zurück geht, sagt Kriecher, und fährt fort: Er war aber nicht allein, Herr Untervogt! Es murrten da etliche, daß ihr sie so allein gelassen hättet; ich sagte aber: unsereiner könne ja nicht wissen, was so einem Herrn allemal vorfällt. Auf dieses hin sagte einmal der Lenk: Ich mög wohl den Vogt rühmen; er einmal rühme jetzt den Junker.Aha! Es war also mit mir, daß du den Junker verglichen hast, sagt der Vogt, und lachte laut.Er hat's aber eben auch nicht so gemeint, wie man es ihm jetzt aufnimmt, sagen etliche Männer, schütteln die Köpfe, und murren über den Kriecher.Es hat gar nichts zu bedeuten, und ist nichts Böses; es ist ein altes Sprichwort: Des Brot ich eß, des Lied ich sing, sagt der Vogt; drückt dem Kriecher die Hand, redet aber nichts weiter hiervon, sondern fragt die Männer: ob Arner zornig gewesen wäre?Nein, antworteten die Männer, gar nicht; er sagte nur: wir sollten heim eilen, und ungesäumt noch heute an die Arbeit gehen.Sagt das dem Maurer, und es habe mit dem Mißverstand nichts zu bedeuten; ich lasse ihn grüßen, sagte ihnen der Vogt, ging seines Wegs, und auch die Männer gingen den ihrigen. Der Harschier aber war schon längst bei dem Maurer, und bat ihn und flehete, er sollte doch sagen: er habe den Befehl am Sonntag erhalten.Der Maurer wollte dem Vogt und dem Harschier gern gefällig sein, und redete mit seiner Frau.Ich fürchte alles, was krumm ist, antwortete die Frau; und ich wette, der Vogt hat sich jetzt schon damit entschuldiget. Mich dünkt, wenn der Junker dich frägt, so müssest du ihm die Wahrheit sagen; wenn aber, wie es sein kann, der Sache niemand mehr nachfragt, so könnst du es gelten lassen, wie sie es machen, indem das niemand weiteres nichts schadet. Lienhard sagte darauf dem Harschier seine Meinung auf diesen Fuß.Indessen kamen die Männer von Arnburg zurück. Ihr seid geschwind wieder da, sagte ihnen der Maurer. Sie antworteten: Wir hätten den Gang überall ersparen können. Lienhard: War er erzürnt über diesem Versehen? Die Männer: Nein, gar nicht. Er war gar freundlich und liebreich, und er sagte uns, daß wir heimeilen und noch heut an die Arbeit gehen sollen.Flink: Da siehst du jetzt selbst, daß es für dich nichts zu bedeuten hat. Für mich ist es etwas ganz anderes; und auch für den Vogt.Ja, bei Anlaß des Vogts, unterbricht sie der ehrliche Hübelrudi, wir hättens fast vergessen: er lasse dich grüßen, und es habe mit dem Mißverständnis gar nichts zu bedeuten. Lienhard: Ist er schon beim Junker gewesen, da ihr ihn antrafet?Die Männer: Nein, wir trafen ihn auf dem Weg zu ihm an. Lienhard: Er weiß also nichts, als was ihr ihm sagtet; und was ich jetzt auch weiß.Die Männer: Es kann nicht wohl anders sein. Flink: Du bleibst doch bei deinem Versprechen? Der Maurer: Ja, aber ganz wie ich's gesagt habe. Jetzt befahl der Maurer den Männern, noch beizeiten bei der Arbeit zu sein, und rüstete noch einige Werkzeuge; und, nachdem er gegessen hatte, ging er mit den Männern das erste Mal an seine Arbeit. Wolle sie dir Gott segnen, sagte ihm Gertrud, da er ging - Wolle sie ihm Gott segnen, muß ich einmal auch sagen, da er geht.
56.
Es wird ernst; der Vogt muß nicht mehr Wirt sein.
Da der Vogt ins Schloß kam, ließ ihn Arner lang warten; endlich kam er heraus auf die Laube, und fragte ihn, mit Unwillen: Was ist das? Warum machtest du heut die Leute alle ins Schloß kommen, ohne Befehl?Ich glaubte, es wäre meine Pflicht, den Männern zu raten, Euer Gnaden für die Arbeit zu danken, antwortete der Vogt. Und Arner erwiderte: Deine Pflicht ist zu tun, was mir und meinen Herrschaftsleuten nützlich ist, und was ich dir befehle; aber gar nicht arme Leute im Feld herumzusprengen, und sie Komplimenten zu lernen, die nichts nützen, und die ich nicht suche! Das aber, warum ich dich habe hieher kommen lassen, ist dir zu sagen: daß ich die Vogtsstelle nicht länger in einem Wirtshause lasse.Der Vogt erblaßte, zitterte, und wußte nicht, was er antworten wollte; denn er erwartete nichts weniger als einen so plötzlichen Entschluß.Arner redete fort: Ich will dir die Wahl lassen, welches von beiden du lieber bleiben willst; aber in vierzehn Tagen will ich deinen Entschluß wissen.Der Vogt hatte sich in etwas wieder erholt, und dankte stammelnd für die Bedenkzeit.Arner erwiderte: Ich übereile niemand gern, und ich suche dich nicht zu unterdrücken, alter Mann! aber diese zwei Berufe schicken sich nicht zusammen.Diese Güte Arners machte dem Vogt Mut. Er antwortete: Es haben doch bisher alle Vögte ihrer Herrschaft gewirtet, und in allen Landen unseres Fürsten ist das ein gemeines. Arner aber war kurz, und sagt: Du hast jetzt meine Meinung gehört - nimmt dann den Sackkalender - und sagt ferner: Heute ist der 20ste März, und in vierzehn Tagen wird der 3te April sein, also auf den 3ten April erwarte ich deine Antwort, weiter habe ich dermalen nichts zu sagen - Arner zeichnete noch den Tag in seinen Kalender, und ging in seine Stube.
57.
Wie er sich gebärdet.
Bang und beklemmt in seinem Herzen, ging der Vogt auch fort. Dieser Schlag hatte ihn so verwirrt, daß er die Leute, neben denen er durch die Laube und die Stiege hinunter vorbeiging, nicht sah und nicht kannte. So, fast seiner selber nicht bewußt, kam er bis unten an die Schloßhalde zum alten dichtstämmigen Nußbaum, da steht er dann wieder still, und sagt zu sich selber: Ich muß Atem holen - wie mir das Herz klopft - ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht - ohne einzutreten in eine Klage - ohne etwas auf mich zu beweisen - bloß weil's ihm so beliebt - - - soll ich nicht Vogt sein oder nicht Wirt - - - das ist über alle Grenzen - - - kann er mich dazu zwingen - ich glaub's nicht - - - Den Mantel kann er mir ohne Klage nicht nehmen - und das Wirtrecht ist gekauft - aber wenn er sucht - wenn er öffentlich Klage sucht, er findet was er will - Von allen den verdammten Buben, denen ich diente, ist mir keiner, kein einziger treu*) . Was soll ich jetzt machen - vierzehn Tage ist endlich immer etwas - Oft hab ich viel in so viel Zeit in Ordnung gebracht - wenn mir nur der Mut nicht fällt - alles kommt nur von dem Maurer - kann ich den verderben, so fehlts nicht, ich finde Auswege aus allem –Aber wie mir so schwach und blöde ist. Er nimmt eine Brandteweinflasche aus dem Sack, kehrt sich gegen dem Schatten des Baums, braucht sein Hausmittel, und trinkt einen Schoppen auf einmal herunter. Einen Dieben oder einen Mörder, dem Steckbriefe nachjagen, erquickt der erste Trunk Wasser, den er auf dem erlaufenen Boden der Freiheit trinkt, nicht stärker als die Brandtsflasche den Vogt bei seinen Ränken erquickt. Er fühlt sich jetzt wieder besser, und mit seinen Kräften wächst auch wieder der Mut des Verbrechers. Das hat mich mächtig erfrischt, sagt er zu sich selber, und stellt sich wieder wie ein Mann, der Herz hat, und den Kopf hoch trägt. Vor einer Weile, sagt er, glaubte ich eben noch, sie werden mich vor dem Abendbrot fressen, jetzt ist mir wieder, als ob ich das Maurerlein, und selber den Arner da, den Gnädigen Buben, mit dem kleinen Finger zusammendrücke, daß sie jauchzen wie solche, die man bei den Ohren in die Höhe zieht.Gut war's, daß ich meine Flasche nicht vergessen habe; aber was ich auch für ein Kerl wäre, ohne sie.So redete der Vogt mit sich selber. Der Schrecken war nun völlig seinem Zorn, seinem Stolz, und seiner Brandtsflasche gewichen.Er ging wieder so hochmütig und so feindselig einher, als er je tat.Er nickte den Leuten auf dem Feld, die ihn grüßten, vogtrichterlich stolz, nur so ein klein wenig zu. Er trug seinen knorrichten Stock so gebieterisch hoch in der Hand, als ob er im Land mehr zu befehlen habe, als zehn Arner; er hängte sein Maul, wie eine alte Stute, und machte Augen so groß und so rund, man sagt bei uns, wie ein Pflugsrädli. So ging der Tropf einher, zu einer Zeit, da er so wenig Ursach hatte.
58.
Wer bei ihm war.
Neben ihm ging sein großer Türk, ein Hund, der auf einen Wink des Vogts die großen weißen Zähne gegen jedermann zeigte; auf einen anderen aber seinen Mann auf Leib und Leben packte. Dieser große Türk, der weit und breit das Schrecken des armen lumpigten Mannes so gut war, als sein Meister das Schrecken aller armen gedrückten Mietlinge und Schuldner in der ganzen Herrschaft ist. Dieser gewaltige Türk ging neben dem Vogt gleich gravitätisch daher; aber ich darf nicht sagen, was mir in dem Maul ist. - Doch ist ganz gewiß, daß der Vogt, der entsetzlich wütend war, einmal jetzt in seinem Angesicht mit dem Hund etwas gleiches hatte.
59.
Auflösung eines Zweifels.
Aber daß der Vogt nach dem gestrigen Jammer und nach dem heutigen Schrecken jetzt dennoch so stolz tut, das wundert vielleicht einen einfältigen Frägler; ein gescheiter Landmann merkets von selbst. Der Hochmut plagt einen nie stärker als wenn man im Kot steckt. Solang alles gut geht, und niemand in Zweifel zieht, daß man oben am Brett ist, so tut niemand so gar dick; aber dann, wenn links und rechts der Schadenfroh ausstreut, es stehe nicht wie vor altem - dann regt sich das Blut, schäumt und wallt auf, wie heiße Butter im Kessel - und das war eben der Fall des Vogts. Also ist es ganz natürlich und auch dem Einfältigsten begreiflich, daß er, da er sich unten an der Schloßhalden vom Schrecken wieder erholt hatte, so stolz habe tun können, als ich gesagt habe. Zudem hatte er diese Nacht auf seine zwei Pulver, und da er wenig getrunken hatte, außerordentlich wohl geschlafen, und heut am Morgen den Kopf von den Schrecken und Sorgen des vorigen Tags ziemlich leer gehabt.Ich erzähle die Sachen, wie sie geschehen, und wie sie mir zu Ohren gekommen sind; aber ich könnte und möchte bei weitem nicht allemal auf unnütze Fragen so Antwort geben, wie jetzt
60.
Eine Ausschweifung.
Freilich wäre es besser gewesen, er hätte seine Brandtsflasche am Nußbaum, unter dem er stand, zerschlagen, und wäre zurückgegangen zu seinem Herrn, ihm seine Umstände zu entdecken; ihm zu sagen, daß er nicht reich sei, sondern den Vogtsdienst und das Wirtsrecht um der Schulden willen, darin er stecke, notwendig habe, und ihn um Gnad und Barmherzigkeit zu bitten; ich weiß, Arner hätte den alten Mann in diesen Umständen nicht verstoßen.Aber eben das ist das Unglück der Gottlosen; ihre Laster bringen sie um allen Verstand, daß sie in ihren wichtigsten Angelegenheiten wie blind werden, und daß sie wie unsinnig zu ihrem Verderben handeln; da hingegen die guten redlichen Menschen, die ein einfältiges und unschuldiges Herz haben, im Unglück ihren Verstand gar viel besser behalten, und sich daher auch gemeiniglich in den Zufällen des Lebens weit leichter helfen und raten können, als die Gottlosen. Sie demütigen sich im Unglück, sie beten ihre Fehler ab - sie richten in der Not ihre Augen nach der Hand, die allenthalben gegen das Elend der Menschen, welche mit reinem Herzen Hilfe suchen, sich ausstreckt.Der Friede Gottes, der alle Vernunft übertrifft, ist ihnen Schutz und Leitstern durch ihr Leben, und sie kommen immer so durch die Welt, daß sie am Ende Gott von Herzen danken. Aber den Gottlosen führt seine Gottlosigkeit aus einer Tiefe in die andere.Er braucht seinen Verstand nie auf den geraden Wegen der frommen Einfalt, Ruh und Gerechtigkeit und Frieden zu suchen. - Er braucht ihn nur zu den krummen Wegen der Bosheit, Jammer anzurichten, und Unruhe zu stiften. Darum kommt er immer in Unglück; in seiner Not trotzt er dann. Er leugnet im Fehler, er ist hochmütig im Elend. Hilfe und Rettung will er entweder erheucheln und erliegen, oder erzwingen und erstehlen. Er traut auf seinen verwirrten wilden Sinn. Er stößt die Hand des Vaters, die sich gegen ihn ausstreckt, von sich; und wenn dieser ihm zuruft: Beug dich, mein Kind! - Ich, dein Vater, ich bin der da züchtigt, und bin der da hilft, ich, dein Vater - so verspottet er die Stimme des Retters und sagt: Da mit meiner Hand und mit meinem Kopf will ich mir helfen, wie ich will.Dann ist des Gottlosen Ende immer so tiefer Jammer und so tiefes Elend.
61.
Der alte Mann leert sein Herz aus.
Ich bin jung gewesen und alt worden, und ich habe mich viel und oft umgesehen, wie es dem Frommen und dem Gottlosen auch gehe. - Ich habe die Knaben meines Dorfs mit mir aufwachsen gesehen - Ich sah sie Männer werden - Kinder und Kindskinder zeugen; und nun hab ich die von meinem Alter alle bis auf sieben zum Grabe begleitet - Gott! Du weißt meine Stunde, wenn ich meinen Brüdern folgen soll - Meine Kräfte nehmen ab; aber mein Auge harret deiner, oh Herr! Unser Leben ist wie eine Blume des Felds, die am Morgen blühet, am Abend aber verwelket. Oh Herr, unser Herrscher! Du bist gnädig und gut den Menschen, die auf dich trauen - darum hoffet meine Seele auf dich; aber der Weg des Sünders führt zum Verderben. - Kinder meines Dorfs! oh ihr Lieben! laßt euch lehren, wie es dem Gottlosen geht, damit ihr fromm werdet. Ich habe Kinder gesehen, die ihren Eltern trotzten, und ihre Liebe für nichts achteten - allen, allen ist's übel gegangen am Ende. Ich kannte des unglücklichen Ulis Vater - ich habe mit ihm unter einem Dache gewohnt, und mit meinen Augen gesehen, wie der gottlose Sohn den armen Vater kränkte und schimpfte - und in meinem Leben werde ich's nicht vergessen, wie der alte arme Mann eine Stunde vor seinem Tode über ihn weinte. - Ich sah den bösen Buben an seiner Begräbnis lachen - Kann ihn Gott leben lassen, dachte ich, den Bösewicht? Was geschah? Er nahm ein Weib, das hatte viel Gut; und er war jetzt im Dorf einer der Reichsten, und ging in seinem Stolz und in seiner Bosheit einher, als ob niemand im Himmel und niemand auf Erden über ihm wäre.Ein Jahr ging vorüber, da sah ich den stolzen Uli an seiner Frauen Begräbnis heulen und weinen. Ihr Gut mußte er ihren Verwandten bis auf den letzten Heller zurückgeben. Er war plötzlich wieder arm wie ein Bettler. In seiner Armut stahl er, und ihr wisset, welch ein Ende er genommen hat. Kinder! so sah ich immer, daß das Ende des Gottlosen Jammer und Schrecken ist.Ich sah aber auch den tausendfachen Segen und Frieden in den stillen Hütten der Frommen - Es ist ihnen wohl bei dem, so sie haben - Bei wenigem ist ihnen wohl, und bei vielem sind sie genügsam. Arbeit in ihren Händen und Ruhe in ihren Herzen, das ist der Teil ihres Lebens - Sie genießen froh das Ihrige, und begehren das nicht, was ihrem Nächsten ist. Der Hochmut plagt sie nicht, und der Neid verbittert ihnen ihr Leben nicht; darum sind sie immer froher und zufriedener und mehrenteils auch gesünder als die Gottlosen. Sie haben auch des Lebens Notwendigkeiten sicherer und ruhiger; denn sie haben ihren Kopf und ihr Herz nicht bei Bosheiten, sondern bei ihrer Arbeit und bei den Geliebten ihrer stillen Hütten. - So ist ihnen wohl im Leben. Gott im Himmel sieht herab auf ihre Sorge und auf ihren Kummer, und hilft ihnen.Kinder meines Dorfs! Oh ihr Lieben! Ich sah viele fromme Arme auf ihrem Todbette, und ich habe nicht gefunden, daß einer, ein einziger von allen, in dieser Stunde sich über seine Armut und über die Not seines Lebens beklagt hätte. Alle, alle dankten Gott für die tausend Proben seiner Vatergüte, die sie in ihrem Leben genossen hatten.Oh Kinder meines Dorfs! Werdet doch fromm, und bleibet einfältig und unschuldig - Ich habe gesehen, wie das schlaue und arglistige Wesen einen Ausgang nimmt. - Hummel und seine Gesellen waren weit schlauer, als alle anderen; sie wußten immer tausend Dinge, wovon uns anderen nichts träumte. - Das machte sie stolz, und sie glaubten, der Einfältigere sei nur darum in der Welt, daß er ihr Narr wäre. Sie fraßen einige Zeit das Brot der Witwen und der Waisen, und tobten und wüteten gegen die, so nicht ihre Knie bogen vor ihnen - Aber ihr Ende hat sich genähert. Der Herr im Himmel hörte der Witwen und der Waisen Seufzen - Er sah die Tränen der Mütter, die sie mit ihren Kindern weinten über den gottlosen Buben, die ihre Männer und Väter verführten und drängten; und der Herr im Himmel half dem Unterdrückten und dem Waisen, der keine Hoffnung mehr hatte, zu seinem Rechte zu gelangen.
62.
Das Entsetzen der Gewissensunruhe.
Als am Samstag abends Hans Wüst vom Vogt heimkam, quälten ihn die Sorgen des Meineids noch tiefer, daß er auf dem Boden sich wälzte und heulte, wie ein Hund, dem ein erschreckliches Grimmen die Eingeweide zerreißt; so rasete er die Nacht über und den ganzen folgenden heiligen Tag - raufte seine Haare sich aus - schlug sich mit Fäusten bis aufs Blut - aß nichts und trank nichts, lief wütend umher, und sagte: Oh, oh des Rudis Hausmatte! Oh, oh seine Hausmatte, seine Hausmatte! Es brennt auf meiner Seelen! - - Der Satan, oh, oh! der leidige Satan ist meiner mächtig - Oh weh mir! Oh weh meiner armen Seelen!So ging er wütend umher, geplagt und gequält von den Sorgen des Meineids, und heulte das Jammergeheul seiner entsetzlichen greulichen Schrecken.Abgemattet von den Qualen dieser Sorgen, konnte er endlich am Sonntag nachts wieder einschlafen.Am Morgen darauf war ihm wieder etwas leichter, und er nahm den Entschluß, seine Qualen nicht mehr bei sich zu behalten, sondern alles dem Pfarrer zu sagen.Er nahm auch seinen Sonntagsrock, und was er sonst fand, und band alles in einen Bündel zusammen, damit er das Geld, das er dem Vogt schuldig war, darauf entlehnen könne. Er nimmt jetzt den Bündel, zittert, geht in den Pfarrhof, steht da, will wieder fortlaufen, steht wieder still, wirft den Bündel in den Hausgang, und macht Gebärden, wie ein Mensch, der nicht bei Sinnen ist.
63.
Daß man mit Liebe und mit Teilnehmung der gänzlichen Kopfsverwirrung angstvoller Menschen vorkommen könne.
Der Pfarrer sieht ihn in diesem Zustande, geht zu ihm hinunter, und sagt ihm: Was ist dir, Wüst? Wo fehlt's dir? Komm mit mir hinauf in die Stube, wenn du etwas mit mir reden willst.Da ging der Wüst mit dem Pfarrer hinauf in seine Stube. Und der Pfarrer war mit dem Wüst so freundlich und so herzlich, als er nur konnte. Denn er sah seine Verwirrung und seine Angst, und er hatte das Gemurmel, daß er wegen seines Eids fast verzweifeln wollte, gestern auch schon gehört. Der Wüst aber, da er sah, wie liebreich und freundlich der Pfarrer gegen ihn war, erholte sich nach und nach wieder und sagte:Wohlehrwürdiger Herr Pfarrer! Ich glaube, ich habe einen falschen Eid getan, und verzweifle fast darüber. Ich kann es nicht mehr ertragen; ich will gern alle Strafe, die ich verdient habe, leiden, wenn ich nur auch noch Gnade und Barmherzigkeit von Gott hoffen darf.
64.
Ein Pfarrer, der eine Gewissenssache behandelt.
Der Pfarrer antwortete: Wenn dir von Herzen leid ist über deinen Fehler, so zweifle nicht an Gottes Erbarmen. Wüst: Darf ich, Herr Pfarrer! darf ich auch bei diesem meinem Fehler noch auf Gottes Erbarmung hoffen, und der Verzeihung der Sünden mich getrösten?Pfarrer: Wenn Gott einen Menschen dahin gebracht hat, daß er aufrichtige Buße tut, und im Ernst nach der Verzeihung seiner Sünden seufzet: so hat er ihm den Weg zur Verzeihung und zur Erhaltung aller geistlichen Gnaden schon gezeigt; glaube das, Wüst! Und wenn deine Buße dir aufrichtig von Herzen geht, so zweifle nicht, sie wird Gott wohlgefällig sein.Wüst: Aber kann ich es auch wissen, daß sie ihm wohlgefällig ist?Pfarrer: Du kannst bei dir selber wahrlich wohl wissen, wenn du mit Ernst auf dich Achtung gibst, ob sie aufrichtig ist, und ganz von Herzen geht, und wenn sie aufrichtig ist, so ist sie Gott gefällig; das ist das einzige, was ich sagen kann. Siehe, Wüst! Wenn einer dem Nachbar den Grund vom Acker weggepflügt hat - und es reuet ihn: er geht, ohne daß der Nachbar es weiß, ohne daß er es fordert, für sich selber und im Stillen, pflügt den Grund dem Nachbar wieder an seinen Acker, und tut eher ein übriges, als zuwenig - so muß ich denken, es sei ihm ernst mit seiner Reue.Gibt er ihm aber das Seinige nicht, oder nicht ganz zurück; braucht er im Zurückgeben Vorteil; sorgt er nur, daß ihm der Diebstahl nicht auskomme; ist ihm nur um sich selbst, und nicht um seinen Nachbar zu tun, dem er Unrecht getan hat: so sind seine Reue und sein Zurückpflügen ein Tand, mit welchem der Tropf sich selber betöret. Wüst! wenn du in deinem Herzen nichts suchest, und nichts wünschest, als daß aller Schade, den deine böse Tat verursacht, und alles Ärgernis, das sie angerichtet hat, aufhöre und wieder gut werde, und daß dir Gott und Menschen verzeihen; wenn du nichts anderes wünschest, wenn du von Herzen gern alles leidest und tust, um deinen Fehler soviel möglich wieder gut zu machen: so ist deine Buße gewiß aufrichtig; und dann zweifle nicht, daß sie nicht Gott gefällig sei.Wüst: Herr Pfarrer! Ich will gern leiden und tun, was ich auf Gottes Boden tun kann, wenn mir nur dieser Stein ab dem Herzen kommt. Wie er mich drückt, Herr Pfarrer! Wo ich geh und steh, zittre ich über dieser Sünde. Pfarrer: Fürchte dich nicht! Gehe nur einfältig, gerade und redlich in deinem Unglück zu Werk, so wird's dir gewiß leichter werden.Wüst: Oh, wenn ich nur das hoffen darf, Herr Pfarrer! Pfarrer: Fürchte dich nicht! Trau auf Gott! Er ist der Gott des Sünders, der ihn sucht. Tue du nur, was du kannst, gewissenhaft und redlich. Das größte Unglück, das aus deinem Eid entstanden ist, sind die Umstände des armen Rudis, der dadurch in ein entsetzliches Elend geraten ist; aber ich hoffe, der Junker werde, wenn du ihm die Sache bekennen wirst, dann selber helfen, daß der Mann in seinem Elend getröstet werden könne.Wüst: Eben der arme Rudi, eben der ist's, der mir immer auf dem Herzen liegt. Herr Pfarrer! meinet ihr, der Junker könne ihm auch wieder zu seiner Matten helfen?Pfarrer: Gewiß weiß ich's nicht. Der Vogt wird freilich alles, was er kann, anbringen, dein jetziges Zeugnis verdächtig zu machen; aber der Junker wird hingegen auch alles tun, was er kann, dem unglücklichen Mann zu dem Seinigen zu helfen.Wüst: Wenn es ihm nur auch gerät.Pfarrer: Ich wünsche es von Herzen, und hoffe es wirklich; aber es mag auch dem Rudi hierin gehen, wie es will, so ist es um deiner selbst und um der Ruhe deines Herzens willen gleich notwendig, daß du alles dem Junker offenbarest.Wüst: Ich will es ja gern tun, Herr Pfarrer!Pfarrer: Es ist der gerade Weg, und es freut mich, daß du ihn so willig gehen willst; er wird dir Ruhe und Friede in dein Herz bringen - Aber freilich wird dir das Bekenntnis Schimpf und Schande und Gefängnis und schweres Elend zuziehen.Wüst: Oh Herr Pfarrer! Das ist alles nichts gegen den Schrecken der Verzweiflung und gegen die Furcht, daß einem Gott in der Ewigkeit nicht mehr gnädig sein werde.Pfarrer: Du siehst die Sache in deinem Unglück so redlich und vernünftig an, daß ich wahre Freude daran habe. Bitte den lieben Gott, der dir so viel gute Gedanken und so viel Stärke zu guten und rechtschaffenen Entschlüssen gegeben hat, daß er diese Gnade dir ferner schenken wolle; so bist du auf einem recht guten Weg, und Wüst, will's Gott! alles, was auf dich wartet, mit Demut und mit Geduld leicht ertragen können. Und was dir immer begegnen wird, so zeige mir dein Zutrauen ferner; ich will dich gewiß nie verlassen.Wüst: Ach Gott! Herr Pfarrer! wie ihr auch so gut und liebreich seid, mit einem so schweren Sünder!Pfarrer: Gott selber ist in seinem Tun gegen uns arme Menschen nur Schonung und Liebe; und ich würde wohl ein unglücklicher Knecht meines guten Gottes und Herrn sein, wenn ich, in welchem Fall es immer wäre, mit einem meiner fehlenden Mitknechte zankte, haderte und schmälte. So väterlich redete der Pfarrer mit dem Wüst, der vor ihm in Tränen zerfloß, und jetzt lang nichts sagte.Der Pfarrer schwieg auch eine Weile.Der Wüst aber fing wieder an, und sagte: Herr Pfarrer! Ich habe noch etwas anzubringen.Pfarrer: Was denn?Wüst: Ich bin seit dem Handel dem Vogt noch acht Gulden schuldig. Er sagte zwar vorgestern, er wolle die Handschrift zerreißen; aber ich will nicht, daß er mir etwas schenke, ich will ihn bezahlen.Pfarrer: Du hast recht; das muß unumgänglich sein, und noch ehe du Arnern die Sache entdeckest.Wüst: Ich habe unten im Haus einen Bündel; es ist mein Sonntagsrock und noch etwas darinnen, das zusammen wohl die acht Gulden wert ist. Ich muß in Gottes Namen die acht Gulden entlehnen, und ich habe gedacht, ihr zürnet es nicht, wenn ich euch bitte, daß ihr mir sie gegen dieses Pfand vorstrecket.Pfarrer: Ich nehme nie keine Sicherheit von jemand, und oft muß ich so etwas abschlagen, so weh es mir auch tut; aber in deinem Fall schlage ich es nicht ab. Sogleich gibt er ihm das Geld, und sagt: Trag es alsobald zum Vogt hin, und deinen Bündel, den nimm nur wieder mit dir heim.
65.
Daß es auch beim niedrigsten Volk eine Delikatesse gebe, selbst bei der Annahme von Wohltaten, um die sie bitten.
Wüst zitterte, da er dem Pfarrer das Geld abnahm; dankte und sagte: Aber den Bündel nehme ich gewiß nicht heim, Herr Pfarrer!Nun so lasse ich ihn denn nachtragen, wenn du ihn nicht gern selber nimmst, erwiderte lächelnd der Pfarrer.Wüst: Um Gottes willen, Herr Pfarrer! behaltet den Bündel, damit ihr für eure Sache sicher seid.Pfarrer: Das wird sich schon geben, Wüst! Bekümmere dich jetzt nicht hierüber, und denke vielmehr an das weit Wichtigere, das dir vorsteht. Ich will heute noch dem Junker schreiben, und du bringst ihm dann morgen den Brief.Wüst: Ich danke euch, Herr Pfarrer! Aber um Gottes willen! behaltet den Bündel, ich darf sonst das Geld nicht nehmen; weiß Gott! ich darf nicht.Pfarrer: Schweig jetzt hievon; geh also bald mit dem Gelde zu dem Vogt, und komme morgen etwann um neun Uhr wieder zu mir; aber rede mir kein Wort weiter vom Bündel. Da ging der Wüst erleichtert und in seinem Gewissen getröstet, vom Pfarrer fort gerade in's Vogts Haus, und gab das Geld, da der Mann nicht zu Hause war, der Frau. Diese fragte ihn: Woher so viel Geld auf einmal, Wüst? Niedergeschlagen und kurz antwortete der Wüst: Ich habe es so gemacht, wie ich's gekonnt habe; gottlob! daß du es hast.Die Vögtin erwiderte: Wir haben dich doch noch nie darum genötigt.Wüst: Ich weiß es wohl; aber es ist vielleicht eben darum nichts desto besser.Vögtin: Das ist wunderlich geredet, Wüst! Wo fehlt's dir? Du bist die Zeither gar nicht recht.Wüst: Ach Gott! du wirst's wohl erfahren; aber zähl doch das Geld; ich muß gehen.Die Vögtin zählt das Geld, und sagt: Es ist richtig.Wüst: Nun, gib es deinem Mann ordentlich. Behüt Gott, Frau Vögtin.Vögtin: Muß es sein - so behüt auch Gott, Wüst!
66.
Ein Förster, der keine Gespenster glaubt.
Der Vogt hatte auf dem Rückweg von Arnheim im Hirzauer Wirtshaus eingekehrt; da trank und prahlte er unter den Bauern: Er erzählte ihnen von seinen gewonnenen Händeln; von seiner Gewalt unter dem verstorbenen Arner; wie er unter ihm, und zwar er allein, alles Volk in Ordnung gehalten habe; und wie es jetzt allenthalben eine Lumpenordnung sei. Dann gab er seinem Hund das Ordinari, was ein wohlhabender Handwerksbursch, ohne den Wein, zu Mittag hat; spöttelte über einen armen Mann, dem ein Seufzer entfuhr, als er die gute Suppe und das liebe Brot dem Hund darstellen sah. Gelt, du würdest auch so vorlieb nehmen, spricht er zum Armen - streichelt den Hund, und prahlt und säuft und pocht so unter den Bauern bis auf den Abend.Da kam der alte Förster vom Schloß, und nahm im Vorbeigehen auch ein Glas Wein; und der Vogt, der keinen Augenblick gern allein ist, sagt zu ihm: Wir gehen miteinander heim. Wenn du gleich kommst, antwortete der Förster; ich muß einer Spur nach.Den Augenblick, antwortet der Vogt; trinkt aus - zahlt die Irte - und sie gingen gleich miteinander.Da sie jetzt allein auf der Straße waren, fragte der Vogt den Förster: ob es auch sicher sei zu Nacht im Wald vor den Gespenstern.Förster: Warum fragst du mich das?Vogt: Ha! weil's mich wundert.Förster: Du bist ein alter Narr! Schon dreißig Jahr Vogt, und solche Dummheiten fragen! Du solltest dich schämen.Vogt: Nein, bei Gott! mit den Gespenstern weiß ich nie recht, wie ich daran bin, ob ich sie glauben soll oder nicht? und doch hab ich auch noch keines gesehen.Förster: Nun, weil du mich so treuherzig frägst, so will ich dir aus dem Wunder helfen - Du zahlst mir einst eine Bouteille für meine Erklärung.Vogt: Gern zwei, wenn du sie recht machst.Förster: Ich bin nun vierzig Jahre auf meinem Posten, und als ein Junge schon vom vierten Jahre an von meinem Vater im Wald erzogen worden. Dieser erzählte den Bauern in den Wirtshäusern und in den Schenken immer von den vielen Gespenstern und Schrecknissen des Waldes; aber er trieb nur mit ihnen den Narren; mit mir verstand er's ganz anders: Ich sollte Förster werden, und also solcherlei Zeugs weder glauben noch fürchten; deshalben nahm er mich zu Nacht, wenn weder Mond noch Sterne schienen, wenn die Stürme brausten, auf Fronfasten und Weihnacht in den Wald; wenn er dann ein Feuer oder einen Schein sah, oder ein Geräusch hörte, so mußte ich mit ihm drauflos über Stauden und Stöcke, über Gräben und Sümpfe, und über alle Kreuzwege mußte ich mit ihm dem Geräusch nach; und es waren immer Zigeuner, Diebe und Bettler - sodann rief er ihnen mit seiner erschrecklichen Stimme zu: Vom Platze, ihr Schelmen! Und wenn's ihrer zehn und zwanzig waren, sie strichen sich immer fort, und sie ließen oft noch Häfen und Pfannen und Braten zurück, daß es eine Lust war. Oft war das Geräusch auch nur Hochgewild, das manchmal gar wunderbare Töne von sich gibt, und die faulen, alten Holzstämme geben einen Schein, und machen in der Nacht Gestalten, die jedermann, der nicht hinzu darf, in Schrecken setzen können. Und das ist alles, was ich in meinem Leben im Wald Unrichtiges gefunden habe; aber immer wird's mein Amtsvorteil sein und bleiben, daß meine Nachbarn ordentlich glauben, er sei wohl gespickt mit Gespenstern und mit Teufeln; denn siehe, unser einer altet, und ist froh, bei dunklen Nächten den Frevlern nicht nachlaufen zu müssen.
67.
Ein Mann, den es gelüstet, einen Markstein zu versetzen, möchte auch gern die Gespenster nicht glauben, und er darf nicht.
So redete der Mann - Und sie kamen indessen an den Seitenweg, durch welchen der Förster in Wald ging; und der Vogt, der nunmehr allein war, redete da mit sich selber:Er ist vierzig Jahre lang Förster, und hat noch kein Gespenst gesehen, und glaubt keines; und ich bin ein Narr und glaube sie, und darf nicht einmal dran denken eine Viertelstunde im Wald einen Stein auszugraben. Wie ein Schelm und ein Dieb nimmt er mir das Wirtsrecht, und der Hundsstein da auf dem Felsen ist keine rechte Mark; ich glaub's nicht - Und wenn sie es wäre! Hätte er ein besseres Recht, als mein Wirtshaus? So gewalttätig einem Mann sein Eigentum rauben! Wer, als der Satan, hat ihm das eingeben können? Und da er meinem Haus nicht schont, so habe ich keinen Grund, seinem verdammten Kieselstein zu schonen; aber ich darf nicht. Zu Nacht darf ich nicht auf den Platz, und am Tage kann's wegen der Landesstraße nicht sein - So redete er mit sich selber; kam bald auf des Meyers Hügel, der nahe am Dorfe liegt. Er sah die Maurer an den großen Feldsteinen, die in der Ebene da herumliegen, arbeiten; denn es war noch nicht vollends sechs Uhr. Und er ergrimmte darüber bei sich selber. Alles, alles, was ich anstelle und vornehme - alles, alles fehlt mir - alles - - alles wird an mir zum Schelmen - Muß ich jetzt noch neben dem verdammten Joseph vorbeigehen - und schweigen - Nein, ich kann's nicht - neben ihm vorbeigehen und schweigen kann ich nicht - Ich will lieber hier warten, bis sie heimgehen –Er setzt sich nieder; nach einer Weile steht er wieder auf, und sagt: Ich will, ich kann ihnen auch hier nicht zusehen - ich will auf die andere Seite des Hügels gehen - Oh du verdammter Joseph –Er steht auf, geht einige Schritte zurück, hinter den Hügel, und setzt sich wieder.
68.
Die untergehende Sonne und ein verlorener armer Tropf.
Die Sonne ging jetzt eben unter, und schien noch mit ihren letzten Strahlen auf die Seite der Anhöhe, auf der er eben saß. Um ihn her war das tiefere Feld; und unten am Hügel alles schon im Schatten.Sie ging aber herrlich und schön unter, ohne Wind und ohne Gewölke, Gottes Sonne; und der Vogt, der in ihre letzten herrlichen Strahlen, die auf ihn fielen, hineinsah, sagte zu sich selber: Sie geht doch schön unter, und staunte gegen sie hin, bis sie hinter dem Berg war.Jetzt ist alles im Schatten, und bald ist's Nacht. Oh mein Herz! Schatten, Nacht und Grausen ist um dich her; dir scheint keine Sonne. So mußte er zu sich selber sagen, und wollte, oder er wollte nicht, denn der Gedanke schauerte ihm durch seine Seele, und er kirrete mit den Zähnen - anstatt hinzufallen, und anzubeten den Herrn des Himmels, der die Sonne aus der Nacht wieder hervorruft - anstatt auf den Herrn zu hoffen, der aus dem Staub errettet und aus den Tiefen erlöst, knirschte er mit den Zähnen. Da schlug die Glocke in Bonnal sechs Uhr; und die Maurer gingen vom Feld heim, und der Vogt folgete ihnen nach.
69.
Wie man sein muß, wenn man mit den Leuten etwas ausrichten will.
Die meisten Arbeiter des Maurers hatten ihn schon an diesem ersten Abend, an dem sie bei ihm schafften, liebgewonnen. Er arbeitete die ganze Zeit mit ihnen, wie sie, griff die schwersten Steine selber an, stand in Kot und in Wasser, wo es nötig war, hinein, wie ein anderer, und noch vor ihnen. Er zeigte ihnen, da sie ganz ungeübt in dieser Arbeit waren, mit Liebe und Geduld, ihre Art und Weise und ihre Vorteile, und ließ auch gegen die Ungeschicktesten keine Ungeduld blicken; kein du Narr, du Ochs entfuhr ihm gegen einen einzigen, ob er gleich hundertmal Anlaß und Gelegenheit dazu gehabt hätte. Diese Geduld und diese bescheidene Sorgfalt des Meisters und sein Eifer, selber zu arbeiten, machten, daß alles sehr wohl vonstatten ging.
70.
Ein Mann, der ein Schelm ist und ein Dieb, handelt edelmütig, und des Maurers Frau ist weise.
Michel, als einer der Stärksten und Verständigsten, war den ganzen Abend an der Seite des Meisters, und sah alle die herzliche Liebe und Güte, mit deren dieser auch gegen die Ungeschicktesten handelte, und Michel, der ein Schelm ist und ein Dieb, gewann den Lienhard lieb, dieses geraden, redlichen Wesens wegen, und es ging Michel an's Herz; gegen diesen braven, rechtschaffenen Mann wollte er kein Schelm sein. Aber dem Kriecher und dem frommen Marx ab der Reuti gefiel es schon nicht so wohl, daß er keinen Unterschied machte unter den Leuten, und sogar auch mit dem Bösewicht, dem Michel, recht freundlich wäre. Auch Lenk schüttelte den Kopf wohl hundertmal, und sprach bei sich selbst: Er ist ein Narr; nähm er Leute, die arbeiten können, wie ich und mein Bruder, er würde nicht halb soviel Mühe haben - Aber die mehreren, die er mit Liebe und mit Geduld zur Arbeit anführte, dankten ihm von Herzensgrunde, und hie und da stiegen stille Seufzer zum Vater der Menschen empor, der alle Geduld und alle Liebe, die ein Mensch seinem schwächeren Bruder erweiset, lohnt und segnet.Michel konnte die böse Abrede, die er am Samstag mit dem Vogt gemacht hatte, nicht länger auf seinem Herzen tragen, und sagte im Heimgehen zu seinem Meister: Ich habe dir etwas zu sagen; ich will mit dir heimgehen; So komm denn, antwortete Lienhard.Da ging er mit dem Meister in seine Hütte, und erzählte ihm, wie der Vogt ihn am Samstag zu Schelmenstreichen gedungen, und wie er ihm auf den schönen Handel zwei Taler gegeben hätte. Lienhard erschrak; aber schwarz und grün war's der Gertrud vor den Augen, über der Erzählung. Das ist erschrecklich, sagte Lienhard. Ja, das ist wohl erschrecklich, erwiderte Gertrud.Laß dich jetzt das nicht kümmern, ich bitte dich, Gertrud! Laß dir das jetzt keine Mühe machen, ich bitte dich, Meister! sagte Michel - Seht, gegen euch versündige ich mich gewiß nicht; darauf könnt ihr zählen.Lienhard: Ich danke dir, Michel! aber ich hab es doch an dem Vogt auch nicht verdient.Michel: Er ist ein eingefleischter Teufel; die Hölle erfindet nicht, was er, wenn er auf Rache denkt und raset.Lienhard: Es zittert alles an mir.Gertrud: Beinahe ward mir ohnmächtig.Michel: Seid doch nicht Kinder, alles hat ja ein Ende.Gertrud und Lienhard: (Beide auf einmal) Gottlob! Gottlob!Michel: Seht, ihr habt jetzt das Ding, wie ihr nur wollt. Wenn ihr wollt, so will ich den Vogt auf dem Glauben lassen, daß ich ihm treu sei, und gerad morgen oder übermorgen vom Bau Geschirr wegnehmen, und ins Vogts Haus tragen. Dann gehst du in aller Stille zu Arner, nimmst einen Gewaltsschein, alle Häuser durchsuchen zu dürfen; fängst bei des Vogts seinem an - dringst plötzlich in die Nebenkammer hinein, wo du es gewiß finden wirst; aber nimm das in acht: Du mußt plötzlich in dem Augenblick, in dem du den Gewaltschein zeigest, hineindringen, sonst ist es gefehlt. Sie sind im Stande, sie nehmen es dir unter den Augen weg, steigen zum Fenster hinein, oder legen es unter die Decke des Betts. Wenn du dann höflich bist, und da nicht nachsuchst, so werden wir in einem schönen Handel sein. - Ich denke aber fast, es ist besser für dich, du schickst Jemand anderes; es ist kein Stück Arbeit für dich.Lienhard: Nein, Michel! das Stück Arbeit würde mir gewiß nicht geraten.Michel: Das ist gleich viel; ich will dir schon Jemand finden, der diese Arbeit recht mache.Gertrud: Michel! ich denke, wir sollten Gott danken, daß wir von der Gefahr, die über uns schwebte, jetzt befreit sind, und nicht aus Rache dafür dem Vogt eine Falle legen.Michel: Er verdient seinen Lohn; mache dir darüber kein Bedenken.Gertrud: Was er verdiene oder nicht verdiene, das ist nicht unsere Sache zu urteilen; aber nicht Rache auszuüben, das ist unsere Sache, und der einzige gerade Weg, den wir in diesem Falle gehen können.Michel: Ich muß bekennen, du hast recht, Gertrud! und es ist viel, daß du dich so überwinden kannst; aber ja, du hast recht, er wird seinen Lohn schon finden; und überall los sein, und nichts mit ihm zu tun haben, ist das beste. Ich will auch geradezu mit ihm brechen, und ihm seine zwei Taler zurückgeben; jetzt hab ich aber nur noch anderthalben. Er nimmt sie aus dem Sack, legt sie auf den Tisch, zählt sie, und sagt dann weiter: Ich weiß jetzt nicht, ob ich ihm die anderthalben allein bringen, oder ob ich auf den Wochenlohn warten will, bis am Samstag, da ich dann alles beieinander haben werde?Lienhard: Es macht mir gar nichts, dir den halben Taler jetzt voraus zu bezahlen.Michel: Ich bin herzlich froh, wenn es sein kann, daß ich dieses Mannes noch heute los komme. Ich trag es ihm noch in dieser Stunde ins Haus, wenn ich's habe. Meister! seit gestern beim Hl. Nachtmahl lag es mir schon schwer auf dem Herzen, daß ich ihm so böse Sachen versprochen hatte; auf den Abend kam noch dein Jonas, und gab meinem Kinde sein Abendbrot - und auch das machte, daß es mir an's Herz ging, daß ich gegen dir ein Schelm sein wollte.Ich habe dich nie recht gekannt, und nie viel Umgang mit dir gehabt, Lienhard! aber heute habe ich gesehen, daß du mit Geduld und mit Liebe Jedermann helfen und raten wolltest,; und ich meinte, ich würde nicht selig sterben können, wenn ich einem so braven, treuen Menschen das Gute mit Bösem vergülte. (Er hat Tränen in den Augen) Da seht ihr, ob's mir nicht Ernst ist.Lienhard: Tue doch überall niemand nichts Böses mehr.Michel: Will's Gott! will ich dir folgen.Gertrud: Es wird dir dann gewiß auch überall wieder besser gehen.Lienhard: Willst du noch diesen Abend zum Vogt gehen?Michel: Ja, wenn ich kann. Der Maurer gibt ihm den halben Taler und sagt: Bring ihn doch nicht in Zorn.Gertrud: Sag ihm doch nicht, daß wir etwas davon wissen.Michel: Ich will so kurz sein, als ich kann; aber den Augenblick geh ich, so ist's bald vorüber. Behüt Gott, Gertrud! Ich danke dir, Lienhard! schlaft wohl.Lienhard: Tu ihm auch also; Behüt Gott, Michel! (Er geht ab.
71.
Die Hauptauftritte nähern sich.
Als der Vogt heim kam, traf er seine Frau allein in der Stube an. Er konnte also die Wut und den Zorn, den er den Tag über gesammelt hatte, nun ausleeren. Auf dem Feld, im Schloß und in Hirzau, da war's etwas anderes. Unter den Leuten zeigt so einer nicht leicht, wie's ihm um's Herz ist.Ungeschickt, wie ein Schäferbub, würde man sagen, würde ein Vogt sein, der das nicht könnte; und das hat man dem Hummel nie nachgeredet. Er konnte ganze Tage hinunter schlucken, Zorn und Neid, und Haß und Gram, und immer lächeln, und schwatzen, und trinken; aber, wenn er heim kam, und zum Glück oder Unglück die Wohnstube leer fand, alsdann stieß er die Wut fürchterlich aus, die er unter den Leuten gesammelt hatte.Seine Frau weinte in einer Ecke, und sagte: Um Gottes willen! tue doch nicht so; mit diesem Rasen bringst du Arnern nur immer mehr auf. Er ruht nicht, bis du dich zum Ziel legst.Er wird nicht ruhen, ich mag tun, was ich will; er wird nicht ruhen, bis er mich zu Grunde gerichtet haben wird. Ein Schelm, ein Dieb, ein Hund ist er; der Verfluchteste unter allen Verfluchten, sagte der Mann.Und die Frau: Herr Jesus! um Gottes willen! wie du redest, du bist von Sinnen.Vogt: Hab ich nicht Ursache? Weißt du es nicht? Er nimmt mir das Wirtsrecht oder den Mantel innert vierzehn Tagen.Vögtin: Ich weiß es; aber um Gottes willen! tue doch jetzt nicht so. Das ganze Dorf weiß es schon. Der Schloßschreiber hat's dem Weibel gesagt, und dieser hat's allerorten ausgekramt. Ich wußte nichts bis auf den Abend, da ich tränkte, da lachten die Leute auf beiden Seiten der Gasse vor allen Häusern, und die Margreth, die auch tränkte, nahm mich beiseits, und sagte mir das Unglück. Und noch etwas: Hans Wüst hat die acht Gulden zurückgebracht. Woher kommt jetzt dieser zu acht Gulden? Auch dahinter steckt Arner. Ach Gott! ach Gott! allenthalben droht ein Ungewitter - so sagte die Frau.Wie ein Donnerschlag erschreckte das Wort, Hans Wüst hat die acht Gulden zurückgebracht, den Vogt. Er stand eine Weile, starrte mit halbgeöffnetem Mund die Frau an, und sagte dann: Wo ist das Geld? Wo sind die acht Gulden? Die Frau stellt's in einem zerbrochenen Trinkglas auf den Tisch. Der Vogt starrt eine Weile das Geld an, zählt's nicht, und sagt dann: Es ist nicht aus dem Schloß; der Junker gibt keine ungesonderten Sorten.Vögtin: Ich bin froh, daß es nicht aus dem Schlosse ist. Vogt: Es steckt doch etwas dahinter; du hättest es ihm nicht abnehmen sollen.Vögtin: Warum das?Vogt: Ich hätte ihn ausforschen mögen, woher er's habe.Vögtin: Ich habe wohl daran gedacht; aber er wollte nicht warten, und ich glaube nicht, daß du etwas heraus gebracht hättest. Er war so kurz und abgebrochen, als man nur sein kann.Vogt: Es stürmt alles auf mich los; ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht - Gib mir zu trinken - (sie stellt ihm den Krug dar) und er geht mit wilder Wut die Stube hinauf und hinunter, schnaufet, trinkt, und redet mit sich selber: Ich will den Maurer verderben, das ist das erste, so sein muß. Wenn's mich hundert Taler kostet - Der Michel muß ihn verderben,; und dann will ich auch hinter den Markstein - so sagt er, und eben klopft Michel an. Wie im Schrecken zuckt der Vogt zusammen, sagt: Wer ist da so spät in der Nacht? und eilt an's Fenster zu sehen.Mach auf, Vogt! ruft Michel.
72.
Die letzte Hoffnung verläßt den Vogt.
Wie mir der so eben recht kommt, sagt der Vogt, eilt, öffnet die Türe, grüßt Micheln, und sagt: Willkommen, Michel! Was bringst du gutes Neues?Michel: Nicht viel; ich will dir nur sagen –Vogt: Du wirst nicht unter der Türe reden wollen? Ich gehe noch lang nicht schlafen. Komm in die Stube.Michel: Ich muß wieder heim, Vogt! Ich will dir nur sagen, daß mich der Handel vom Samstag gereuet hat.Vogt: Ja, bei Gott! das wäre so eben recht. Nein, der muß dich nicht gereuen - Wenn's nicht genug ist, ich biete eher ein mehreres. Komm nur in die Stube. Es fehlt nicht, wir werden des Handels gewiß eins.Michel: Um keinen Preis, Vogt! Da sind deine zwei Taler.Vogt: Ich nehme dir sie jetzt nicht ab, Michel! Treib nicht den Narren. Der Handel muß dir nicht schaden, und wenn dir die zwei Taler zu wenig sind, so komm in die Stube.Michel: Ich will weiter nichts hören, Vogt! da ist dein Geld.Vogt: Bei Gott! ich nehme dir's jetzt nicht ab. Ich habe jetzt geschworen; du mußt mit mir in die Stube.Michel: Das kann zuletzt wohl sein. (Er geht mit ihm). Da bin ich nun in der Stube, und da ist dein Geld. (Er legt es auf den Tisch.) Und jetzt behüt Gott, Vogt! und hiermit kehrte er sich um, und ging fort.
73.
Er macht sich an den Markstein.
Der Vogt stand eine Weile stumm und sprachlos da, rollte seine Augen umher, schäumte zum Munde aus, zitterte, stampfte, und rief dann: Frau! gib mir Brandt's; es muß sein, ich gehe.Frau: Wohin, wohin willst du in der stockfinsteren Nacht?Vogt: Ich geh - ich geh, und grabe den Stein aus; gib mir die Flasche.Frau: Um Gottes willen! tue doch das nicht.Vogt: Es muß sein, es muß sein; ich gehe.Frau: Es ist stockfinster; es geht nach den Zwölfen, und in der Karwoche hat der Teufel sonst viel Gewalt.Vogt: Hat er das Roß, so nehm er den Zaum auch. Gib mir die Flasche; ich gehe.Schnell nimmt er Pickel und Schaufel und Karst auf die Achsel, und eilt im tiefen Dunkel der Nacht auf den Berg, seinem Herrn den Markstein zu versetzen.Rausch und Rache und Wut machten ihn kühn; doch wo er ein Scheinholz erblickte, oder wo er einen Hasen rauschen hörte, zitterte er, stand einen Augenblick still, und eilte dann wütend weiter, bis er endlich zum Markstein kam. Er griff jetzt schnell zur Arbeit, hackte und schaufelte umher.
74.
Die Nacht betrügt Besoffene und Schelmen, die in der Angst sind, am stärksten.Aber plötzlich erschreckt ihn ein Geräusche.
Ein schwarzer Mann hinter dem Gesträuche kommt auf ihn zu. Um den Mann ist's hell in der finsteren Nacht, und Feuer brennt auf des Mannes Kopfe. Das ist der Teufel leibhaftig, sagt der Vogt, flieht, heult entsetzlich, und läßt Karst und Pickel und Schaufel, den Hut und die leere Brandtsflasche dahinten.Es war Christoph, der Hühnerträger von Arnheim, der Eier in Oberhofen, Lunkofen, Hirzau und anderen Orten aufgekauft hatte, und nun auf seinem Heimweg begriffen war. Er trug auf seinem Korb das Fell von einer schwarzen Ziege, und hatte eine Laterne daran hängen, um den Weg im Finsteren zu finden. Dieser Eierträger erkannte die Stimme des fliehenden Vogts;, und da er dachte, daß er gewiß etwas Böses im Sinn hätte, ergrimmte er bei sich selber, und sprach: Dem verfluchten Buben will ich's jetzt machen! er meint, ich sei der Teufel.Schnell stellt er seinen Korb ab, nimmt Karst und Pickel. und Schaufel und seinen mit Eisen beschlagenen Botenstock, bindet alles zusammen, schleppt es hinter sich her über den Felsweg hinunter, daß es fürchterlich rasselte, läuft so dem Vogt nach, und ruft mit hohler heulender Stimme: Oh - Ah - Uh - Hummel - Oh - Ah - Uh - Du bist mein - Wa - art - Hu - Hummel –Der arme Vogt läuft, was er vermag, und schreit in seinem Laufen erbärmlich: Mordio - und helfio - Wächter! der Teufel nimmt mich.Und der Hühnerträger immer hinten nach: Oh - Ah - Uh - Vo - ogt - - Wa - art - Vo - ogt! du bist mein - Vo - oh - ogt -
75.
Das Dorf kommt in Bewegung.
Der Wächter im Dorf hörte das Laufen und Rufen vom Berge, und verstand alle Worte; aber er fürchtete sich, und klopfte einigen Nachbarn am Fenster an.Steht doch auf, Nachbarn! sagt er zu ihnen; und hört, wie es am Berge geht. Es ist, als wenn der Teufel den Vogt nehmen wollte - hört doch, wie er Mordio und Helfio ruft!. und er ist doch, weiß Gott! bei seiner Frau daheim; es ist keine zwei Stunden, ich hab ihn unter seinem Fenster gesehen. Als ihrer etwan Zehn beisammen waren, rieten sie, sie wollten alle miteinander mit dem Windlicht und mit Gewehr wohl versehen dem Geräusch entgegen gehen; aber frisch Brot, den Psalter, und das Testament mit in Sack nehmen, daß ihnen der Teufel nichts anhaben könne.Die Männer gingen, hielten aber noch zuerst bei des Vogts Haus still, um zu sehen, ob er daheim wäre.Die Vögtin wartete in Todesangst, wie's ihm auf dem Berg gehen möchte; und da sie den nächtlichen Lärm hörte, und da die Männer mit den Windlichtern an ihrem Hause klopften, erschrak sie entsetzlich, und rief ihnen: Herr Jesus! was wollt ihr?Dein Mann soll herunter kommen, sagten die Männer. Er ist nicht bei Hause; aber, Herr Jesus! was ist's doch, warum ihr da seid? sagte die Frau.Und die Männer: Das ist eben schlimm, wenn er nicht daheim ist - Horch, wie er Mordio und Helfio schreit, als wenn der Teufel ihm nachliefe.Die Frau läuft jetzt mit den Männern, wie unsinnig, fort. Der Wächter fragte sie unterwegs:Was Teufels tut doch dein Mann jetzt noch auf dem Berg? Er war ja noch vor ein Paar Stunden bei Haus? Sie antwortete kein Wort, sondern heulete entsetzlich. Auch des Vogts Hund heulete an seiner Kette entsetzlich. Als aber der Hühnerträger das Volk, so dem Vogt zu Hilfe eilte, sich nähern sah, und als er des Vogts Hund so fürchterlich heulen hörte, kehrte er um, und ging so still und so geschwind, als er konnte, wieder den Berg hinauf, zu seinem Korb, packte seine Beute auf, und setzte dann seinen Weg fort.Kunz aber, der mit des Vogts Frau einige Schritte voraus war, merkte, daß es eben nicht der Teufel sein möchte; faßt den heulenden Vogt ziemlich unsanft beim Arm, und sagt ihm:. Was ist das? Warum tust du auch so, du Narr? Oh - Oh - - laß mich - - Oh - - Teufel laß mich - - sagte der Vogt, der im Schrecken nichts sah und nichts hörte. Du Narr! ich bin Kunz, dein Nachbar; und das ist deine Frau, sagte ihm dieser.Die anderen Männer sahen zuerst ziemlich behutsam umher, wo etwann der Teufel doch stecken möchte; und der mit dem Windlicht zündete sorgfältig in die Höhe und auf den Boden und auf alle vier Seiten; es steckte auch ein jeder seine rechte Hand in den linken Sack, zum neugebackenen Brot, zum Testament und zum Psalter - Da sich aber lange nichts zeigte, faßten sie nach und nach Mut, und einige wurden sogar munter, und fingen an den Vogt zu fragen: Hat der Teufel dich mit den Klauen gekräuelt? oder mit den Füßen getreten, daß du so blutest?Andere aber sprachen: Es ist jetzt nicht Zeit zu spotten; wir haben ja alle die erschreckliche Stimme gehört.Kunz aber sagte: Und mir ahndet, ein Wilddieb, oder ein Harzer, habe den Vogt und uns alle geäffet. Als ich ihm nahe kam, hörte das Geheul auf, und ein Mensch lief den Berg hinauf, was er konnte. Es hat mich tausendmal gereuet, daß ich ihm nicht nachgelaufen bin; und wir waren Narren, daß wir des Vogts Hund nicht mitgenommen haben.Du bist ein Narr, Kunz! das war in Ewigkeit keine Menschenstimme. Es ging durch Leib und Seel; es drang durch Mark und Bein; und ein mit Eisen beladener Wagen rasselt nicht so auf der Bergstrasse, wie das gerasselt hat.Ich will euch nicht widersprechen, Nachbarn! Es schauerte mir auch, da ich es hörte. Aber doch lasse ich mir nicht ausreden, daß ich Jemand wieder den Berg hinauf laufen gehört habe.Meinst du, der Teufel könne nicht auch laufen, daß man ihn höre? sagten die Männer.Der Vogt aber hörte von allem Gerede kein Wort. Und da er daheim war, bat er die Männer, daß sie doch diese Nacht bei ihm blieben; und sie blieben gar gern im Wirtshause.
76.
Der Pfarrer kommt ins Wirtshaus.
Indessen hatte der nächtliche Lärm alles im Dorfe aufgeweckt. Auch im Pfarrhause stand alles auf, denn man vermutete Unglück.Und da der Pfarrer nachfragen ließ, was für ein Lärm sei? bekam er erschreckliche Berichte über den greulichen Vorfall. Und der Pfarrer dachte: er wolle dieses Schrecken des Vogts, so dumm auch seine Ursache sei, benutzen, und ging in der Nacht ins Wirtshaus.Blitzschnell verschwanden die Weinkrüge von allen Tischen, da er kam.Die Bauern standen auf, und sagten: Willkommen, wohlehrwürdiger Herr Pfarrer!Der Pfarrer dankte, und sagte den Nachbarn: Es ist brav, daß ihr, wenn ein Unglück begegnet, so bereit und dienstfertig seid.Aber wollt ihr mich jetzt eine Weile bei dem Vogt allein lassen?Bauern: Es ist unsere Schuldigkeit, wohlehrwürdiger Herr Pfarrer! Wir wünschen euch eine glückselige Nacht. Pfarrer: Ein gleiches, ihr Nachbarn! Aber ich muß euch noch bitten, daß ihr euch in acht nehmet, was ihr über diesen Vorfall erzählet. Es ist allemal unangenehm, wenn man groß Geschrei von einer Sache macht, und wenn danach heraus kommt, daß nichts an der Sache sei, oder etwas ganz anderes. Für jetzt weiß einmal noch niemand, was eigentlich begegnet ist, und ihr wisset doch, Nachbarn! die Nacht trügt. Es ist so - wohlehrwürdiger Herr Pfarrer! sagten die Bauern inner der Türe.Und er ist immer so ein Narr, und will nichts glauben, sagten sie draussen.
77.
Seelsorgerarbeit.
Der Pfarrer aber redete mit dem Vogt herzlich; Untervogt! ich habe vernommen, daß dir etwas begegnet ist, und ich bin da, dir mit Trost, so gut ich kann, an die Hand zu gehen. Sage mir aufrichtig, was ist dir eigentlich begegnet?Vogt: Ich bin ein armer unglücklicher Tropf, der leidige Satan hat mich nehmen wollen.Pfarrer: Wie so, Vogt! wo ist dir das begegnet?Vogt: Oben auf dem Berge.Pfarrer: Hast du denn wirklich Jemand gesehen? Hat dich Jemand angegriffen?Vogt: Ich sah ihn - ich sah ihn, wie er auf mich zulief. - Es war ein großer schwarzer Mann, und er hatte Feuer auf seinem Kopfe - er ist mir nachgelaufen bis unten an den Berg.Pfarrer: Warum blutest du am Kopf?Vogt: Ich bin im Herunterlaufen gefallen.Pfarrer: Es hat dich also niemand mit keiner Hand angerührt?Vogt: Nein, aber gesehen habe ich ihn mit meinen Augen.Pfarrer: Nun Vogt! wir wollen uns nicht dabei aufhalten. Ich kann nicht begreifen, was es eigentlich war. Es mag aber gewesen sein, was es will, so ist es gleich viel; denn, Untervogt! es ist eine Ewigkeit, wo ohne einigen Zweifel die Gottlosen in seine Klauen fallen werden; und diese Ewigkeit und die Gefahr, nach deinem Tode in seine Klauen zu fallen, sollte dich bei deinem Alter und bei deinem Leben freilich unruhig und sorgenvoll machen.Vogt: Oh Herr Pfarrer! ich weiß vor Sorgen und Unruhe nicht, was ich tue. Um Gottes willen! was kann, was soll ich machen, daß ich vom Teufel wieder los werde - bin ich nicht jetzt schon ganz in seiner Gewalt?Pfarrer: Vogt! plage dich nicht mit Geschwätze und mit närrischen Worten. Du bist bei Sinn und Verstand, und also ganz in deiner eigenen Gewalt; tue, was recht ist, und was dir dein Gewissen sagt, daß du es Gott und Menschen schuldig seist. Du wirst alsdann bald merken, daß der Teufel keine Gewalt über dich hat.Vogt: Oh Herr Pfarrer! was kann, was muß ich denn tun, daß ich bei Gott wieder zu Gnaden komme?Pfarrer: Im Ernst deine Fehler bereuen, dich bessern, und dein ungerechtes Gut wieder zurück geben.Vogt: Man glaubt, ich sei reich, Herr Pfarrer! aber ich bin's weiß Gott nicht!Pfarrer: Das ist gleich viel, du hast des Rudis Matten mit Unrecht; und Wüst und Keibacher haben einen falschen Eid getan; ich weiß es, und ich werde nicht ruhen, bis der Rudi wieder zu dem Seinigen gelangt sein wird.Vogt: Oh Herr Pfarrer! um Gottes willen! habt Mitleiden mit mir.Pfarrer: Das beste Mitleiden, das man mit dir haben kann, ist dieses: wenn man dich dahin bringen kann, gegen Gott und Menschen zu tun, was du schuldig bist.Vogt: Ich will ja tun, was ihr wollt, Herr Pfarrer!Pfarrer: Willst du dem Rudi seine Matte wieder zurück geben?Vogt: Um Gottes willen! ja, Herr Pfarrer!Pfarrer: Erkennest du also, daß du sie mit Unrecht besitzest?Vogt: In Gottes Namen! ja, Herr Pfarrer! ich muß es bekennen; aber ich komme an den Bettelstab, wenn ich sie verliere.Pfarrer: Vogt! es ist besser betteln, als armer Leute Gut unrechtmäßig vorenthalten.Der Vogt seufzet.Pfarrer: Aber was tatest du auch mitten in der Nacht auf dem Berg?Vogt: Um Gottes willen! fraget mich doch das nicht, Herr Pfarrer! ich kann's, ich darf's nicht sagen; habt Mitleiden mit mir, ich bin sonst verloren.Pfarrer: Ich will dir nicht zumuten, mir etwas zu offenbaren, das du nicht willst. Tust du es gern, so will ich dir raten wie ein Vater; willst du es nicht tun, in Gottes Namen! so ist es dann deine Schuld, wenn ich dir da, wo du es vielleicht am nötigsten hättest, nicht raten kann. Aber da ich ohne deinen Willen von allem, was du mir sagen wirst, nichts offenbaren werde, so kann ich doch nicht sehen, was du dabei gewinnest, wenn du mir etwas verschweigst.Vogt: Aber werdet ihr gewiß nichts wider meinen Willen offenbar machen, es mag sein was es will?Pfarrer: Nein, gewiß nicht, Vogt!Vogt: So will ich's euch in Gottes Namen sagen: Ich wollte dem Junker einen Markstein versetzen.Pfarrer: Lieber Gott und mein Heiland! warum auch dem guten lieben Junker?Vogt: Ach! Er wollte mir das Wirtshaus oder den Vogtsdienst nehmen, das brachte mich in Wut.Pfarrer: Du bist doch ein unglücklicher Tropf, Vogt! er meinte es so wenig böse. Er hat dir noch einen Ersatz geben wollen, wenn du die Vogtsstelle freiwillig aufgeben würdest.Vogt: Ist das auch wahr, Herr Pfarrer?Pfarrer: Ja, Vogt! ich kann dir es für gewiß sagen, denn ich habe es aus seinem Munde; er hat am Samstag Abend in seinem Berg gejagt, und ich habe ihn auf dem Weg vom Reutihof, wo ich bei der alten Frauen war, angetroffen; da hat er mir ausdrücklich gesagt: Der junge Meyer, den er zum Vogt machen wolle, müsse dir, damit du dich nicht zu beklagen habest, hundert Gulden jährlichen Ersatzes geben.Vogt: Ach Gott! Herr Pfarrer! hätte ich auch das gewußt, ich würde nicht in dieses Unglück gefallen sein.Pfarrer: Man muß Gott vertrauen; auch wenn man noch nicht sieht, wo seine Vatergüte eigentlich hervor blicken will; und von einem guten Herrn muß man Gutes hoffen, auch wenn man noch nicht siehet, wie und worin er sein gutes Herz offenbaren will. Das macht, daß man ihm getreu und gewärtig bleibt, und dadurch denn sein Herz in allen Fällen zum Mitleiden und zu aller Vatergüte offen findet.Vogt: Ach Gott! wie ein unglücklicher Mann ich bin! Hätte ich nur auch die Hälfte von diesem gewußt.Pfarrer: Das Geschehene ist jetzt nicht mehr zu ändern; aber was willst du jetzt tun, Vogt?Vogt: Ich weiß es in Gottes Namen nicht; das Bekenntnis bringt mich um's Leben. Was meint ihr, Herr Pfarrer?Pfarrer: Ich wiederhole, was ich dir eben gesagt habe. Ich will dir kein Bekenntnis zumuten; das, was ich sage, ist ein bloßer Rat - aber meine Meinung ist, der gerade Weg habe noch Niemanden übel ausgeschlagen. Arner ist barmherzig, und du bist schuldig, tu jetzt, was du willst; aber ich würde es auf seine Barmherzigkeit ankommen lassen. Ich sehe wohl, daß der Schritt schwer ist; aber es ist auch schwer, ihm den Fehler zu verschweigen, wenn du wahre Ruhe und Zufriedenheit für dein Herz suchest.Der Vogt seufzet, und redet nichts.Der Pfarrer fährt fort, und sagt wieder: Tue jetzt in Gottes Namen, was du willst, Vogt! ich will dir nichts zumuten;, aber je mehr ich es überlege, desto mehr dünkt mich, du fahrest am besten, wenn du es auf Arners Barmherzigkeit ankommen lassest; denn ich muß dir doch auch sagen, es könne nicht anders sein, der Junker werde nachforschen, warum du in dieser späten Nachtzeit auf der Straße gewesen seist?Vogt: Herr Jesus, Herr Pfarrer! was mir in Sinn kommt. Ich habe Pickel und Schaufel und Karst, und was weiß ich noch, beim Markstein gelassen, und er ist schon halb umgegraben; das kann alles ausbringen. Es übernimmt mich eine Angst und ein Schrecken von wegen des Pickels und des Karsts, daß es entsetzlich ist, Herr Pfarrer!Pfarrer: Wenn dich wegen dem armseligen Pickel und Karst, die man ja leicht heut noch vor Tag wegtragen und verbergen kann, eine solche Angst übernimmt, Vogt! so denke doch, wie tausend solche Umstände und Vorfälle begegnen werden und begegnen müssen, wenn du schweigest, die dir deine übrigen Tage noch alle zu Tagen der größten Unruhe und der bittersten fortdauernden Besorgnisse machen werden. - Ruhe für dein Herz wirst du nicht finden, Vogt! wenn du nicht bekennest.Vogt: Und ich kann auch nicht bei Gott wieder zu Gnaden kommen, wenn ich schweige?Pfarrer: Vogt! wenn du das selber denkest, und selber sorgest und fürchtest, und doch wider die Stimme deines Gewissens, wider deine eigne Überzeugung schweigest, wie könnte es möglich sein, daß dieses Tun Gott gefallen, und dir seine Gnade wiederbringen könnte?Vogt: So muß ich's denn bekennen?Pfarrer: Gott wolle mit seiner Gnade bei dir sein, wenn du tust, was dein Gewissen dich heißet.Vogt: Ich will es bekennen.Und da er dieses gesagt hatte, betete der Pfarrer vor ihm also:Preis und Dank und Anbetung, Vater im Himmel! Du hast deine Hand gegen ihn ausgestreckt, und sie hat ihm Zorn und Entsetzen geschienen, die Hand deiner Erbarmung und Liebe! Aber sie hat sein Herz bewegt, daß er sich nicht mehr gegen die Stimme der Wahrheit verhärtet, wie er sich lange, lange vor ihr verhärtet hat.Du, der du Schonung und Mitleiden und Gnade bist! Nimm das Opfer seines Bekenntnisses gnädig an, und zeuch deine Hand nicht ab von ihm. Vollende das Werk deiner Erbarmung, und laß ihn wieder deinen Sohn, deinen Begnadigten werden. Oh Vater im Himmel! der Menschen Leben auf Erden ist Irrtum und Sünde! darum bist du gnädig den armen Kindern der Menschen, und verzeihest ihnen Übertretung und Sünde, wenn sie sich bessern.Preis und Anbetung, Vater im Himmel! Du hast deine Hand gegen ihn ausgestreckt, daß er dich suche; Du wirst das Werk deiner Erbarmung vollenden, und er wird dich finden, lobpreisen deinen Namen, und verkündigen deine Gnade unter seinen Brüdern *) .Jetzt war der Vogt durch und durch bewegt; Tränen flossen von seinen Wangen.Oh Gott! Herr Pfarrer! ich will es bekennen, und tun, was man will. Ich will Ruhe suchen für mein Herz, und Gottes Erbarmen.Der Pfarrer redete noch eine Weile mit ihm, tröstete ihn, und ging dann wieder heim.Es ging aber schon gegen fünf Uhr, da er heim kam. Und er schrieb alsbald an Arner. Der Brief, den er gestern geschrieben, und der heutige, lauten also:
78.
Zwei Briefe vom Pfarrer, an Arner.
Erster Brief. Hochedelgeborener, Gnädiger Herr!Der Überbringer dieses, Hans Wüst, hat mir heut eine Sache geoffenbart, welche von einer Natur ist, daß ich nicht umhin konnte, ihm zu raten, sie Euer Gnaden als seinem Richter zu entdecken - Er hält nämlich in seinem Gewissen dafür, der Eid, den er und Keibacher vor zehn Jahren in der Sache zwischen dem Hübelrudi und dem Vogt geschworen haben, sei falsch. Es ist eine sehr traurige Geschichte, und es kommen dabei sehr bedenkliche Umstände von dem verstorbenen Schloßschreiber und von dem unglücklichen Vicari meines in Gott ruhenden Vorfahren ins Licht; und mir schauert vor aller Ärgernis, so dieses Bekenntnis hervorbringen kann. Ich danke aber wieder Gott, daß der Ärmste unter meinen vielen Armen, der gedrückte leidende Rudi mit seiner schweren Haushaltung durch dieses Bekenntnis wieder zu dem Seinigen kommen könnte. Die täglich steigende Bosheit des Vogts, und sein Mutwillen, der jetzt auch sogar die Feste nicht mehr schonet, machen mich glauben, die Zeit seiner Demütigung sei nahe. - Für den unglücklichen armen Wüst bitte ich demütig und dringend um alle Barmherzigkeit und um alle Gnade, welche die Pflichten der Gerechtigkeit dem menschenliebenden Herzen Euer Gnaden erlauben können.Meine liebe Frau empfiehlt sich ihrer edelmütigen Gemahlin, und meine Kinder ihren guten Fräuleins. Sie sagen tausendfachen Dank für die Blumenzwiebeln, mit denen Sie unseren Krautgarten verzieren wollen. Gewiß werden ihnen meine Kinder mit Fleiß abwarten; denn ihre Blumenfreude ist unbeschreiblich.Erlauben Sie, Hochedelgeborener, Gnädiger Herr! daß ich mit pflichtschuldiger Ergebenheit mich nenne Euer Wohledelgeborenen Gnaden Bonnal, den 20. März gehorsamsten Diener, 1780 Joachim Ernst, Pfr. Zweiter Brief. Hochedelgeborener, Gnädiger Herr! Seit gestern Abends, da ich Euer Gnaden in beiliegend schon versiegeltem Schreiben den Vorfall mit dem Hans Wüst pflichtmäßig zu wissen tun wollte, hat die alles leitende weise Vorsehung meine Hoffnungen und meine Wünsche für den Rudi, und meine Vermutungen gegen den Vogt, auf eine mir jetzt noch unbegreifliche und unerklärbare Weise bestätigt. Es entstand in der Nacht ein allgemeiner Lärm im Dorf, der so groß war, daß ich Unglück vermutete. Ich ließ nachfragen, was es sei, und ich erhielt den Bericht: Der Teufel wolle den Vogt nehmen; er schreie erbärmlich droben am Berg um Hilfe, und alles Volk habe das erschreckliche Gerassel des ihm nachlaufenden Teufels gehört - Ich mußte ob diesem Berichte, Gott verzeih es mir, herzlich lachen. Es kamen aber immer mehr Leute, die alle den greulichen Vorfall bestätigten, und zuletzt berichteten: Der Vogt sei wirklich mit den Männern, die ihm zu Hilf geeilt wären, wieder heim; aber so erbärmlich vom leidigen Satan herumgeschleppt und zugerichtet worden, daß er wahrscheinlicher Weise sterben werde.Das alles war freilich keine Ware in meinen Kram; aber was machen? Man muß die Welt brauchen, wie sie ist, weil man sie nicht ändern kann.Ich dachte, es mag nun gewesen sein, was es will, so ist der Vogt vielleicht jetzt weich; ich muß also die gelegene Zeit nicht versäumen, und ging deshalben sogleich zu ihm.Ich fand ihn in einem erbärmlichen Zustande. Er glaubt steif und fest, der Teufel hab ihn nehmen wollen. Ich fragte zwar hin und her, um etwann auf eine Spur zu kommen; aber ich begreife noch nichts von allem. Nur soviel ist gewiß, daß ihn niemand angerührt hat, und daß seine Verwundung am Kopf, die aber leicht ist, von einem Falle herrührt. - Auch hat der Teufel, sobald die Mannschaft anrückte, mit seinem Rasseln und Heulen nachgelassen - Aber es ist Zeit zur Hauptsache zu kommen.Der Vogt war gedemütigt, und bekannte mir zwei abscheuliche Taten, die er mir freiwillig erlaubt, Euer Gnaden zu offenbaren.Erstlich: Es sei wahr, was mir der Hans Wüst gestern geklagt hätte; nämlich:Er habe Ihren in Gott ruhenden Herrn Großvater in dem Handel mit dem Rudi irre geführt, und die Matte sei mit Unrecht in seiner Hand.Zweitens: Er habe diese Nacht Euer Gnaden einen Markstein versetzen wollen, und sei wirklich an dieser Arbeit gewesen, als ihm der erschreckliche Zufall begegnet sei. Ich bitte Euer Gnaden demütig, um Schonung und Barmherzigkeit auch für diesen unglücklichen Mann, der gottlob auch zur Demut und zur Reue zurückzukommen scheint. Da sich die Umstände also seit gestern geändert haben, schick ich den Hans Wüst nicht mit seinem Brief, sondern ich sende beide durch Wilhelm Aebi, und ich erwarte, was Euer Gnaden hierin für fernere Befehle an mich werden gelangen lassen. Womit ich mit der vorzüglichsten Hochachtung verharre Euer Hochedelgebornen und Gnaden Bonnal, den 20. März gehorsamster Diener, 1780. Joachim Ernst, Pfr.