Wie Gertrud ihre Kinder lehrt (1801)
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X. Brief
Freund! die Anschauung muß, insofern sie als der Punkt betrachtet wird, von dem der Unterricht ausgeht, von der Anschauungskunst, welche die Lehre der Verhältnisse aller Formen ist, gesondert werden; als allgemeines Fundament aller drei Elementarmittel des Unterrichts, geht sie der Anschauungskunst, so wie der Rechenkunst und Sprachkunst, lange vorher. Wenn man die Anschauung, im Gegensatz der Anschauungskunst, einzeln und für sich betrachtet; so ist sie nichts anderes, als das bloße vor den Sinnen stehen der äußeren Gegenstände und die bloße Regemachung des Bewußtseins ihres Eindrucks; mit ihr fängt die Natur allen Unterrichts an; der Säugling genießt ihn, die Mutter gibt ihn; aber die Kunst hat nichts getan, hierin mit der Natur gleichen Schritt zu halten; umsonst stand das schönste Schauspiel, die Mutter, die ihrem Unmündigen die Welt zeigt, vor ihren Augen, sie hat nichts, sie hat für das Volk gar nichts an dieses Schauspiel gekettet.
Ich will Dir, lieber Gessner die Stelle, die mir das Gefühl unserer erwähnten Kunst über diesen Gesichtspunkt schon vor einem Jahr ausgepreßt, hier abschreiben: »Von dem Augenblick an, da die Mutter das Kind auf den Schoß nimmt, unterrichtet sie es, indem sie das, was die Natur ihm zerstreut, in großen Entfernungen und verwirrt darlegt, seinen Sinnen näherbringt, und ihm die Handlung des Anschauens und folglich die von ihr abhängende Erkenntnis selber leicht angenehm und reizend macht.
Kraftlos, ungebildet, der Natur ohne Leitung und ohne Nachhilfe anhängend, weiß die Mutter in ihrer Unschuld selbst nicht, was sie tut; sie will nicht unterrichten, sie will bloß ihr Kind beruhigen, sie will es beschäftigen; aber dessen ungeachtet geht sie den hohen Gang der Natur in seiner reinsten Einfachheit, ohne daß es ihr bekannt ist, was diese durch sie tut, und die Natur tut doch sehr viel durch sie; sie eröffnet dem Kind auf diese Weise die Welt, sie bereitet es so zum Gebrauch seiner Sinne, und zur frühen Entwicklung seiner Aufmerksamkeit und seines Anschauungsvermögens vor.
Würde jetzt dieser hohe Gang der Natur benutzt, würde daran angekettet, was daran angekettet werden kann, würde es dem Herzen der Mütter durch die helfende Kunst möglich gemacht, das, was sie beim Unmündigen durch einen blinden Naturtrieb genötigt tut, beim Anwachsenden mit weiser Freiheit fortzusetzen, würde dann auch das Herz des Vaters zu diesem Zweck benutzt, und auch ihm durch die helfende Kunst möglich gemacht, an die Lage und Verhältnisse des Kindes alle die Fertigkeiten anzuketten, die es bedarf, um durch eine gute Besorgung seiner wesentlichen Angelegenheiten, durch sein ganzes Leben zur inneren Zufriedenheit mit sich selbst zu gelangen, wie leicht müßte es nicht sein, vieles, sehr vieles dazu beizutragen, unser Geschlecht, und jeden einzelnen Menschen im ganzen Umfang seiner Stellung, dahin zu erheben, selbst mitten unter den Schwierigkeiten ungünstiger Lagen und unter allem Übel ungünstiger Zeiten, sich ein stilles, ruhiges und befriedigendes Leben zu sichern!«
Gott! was wäre für die Menschheit gewonnen! Aber wir sind auch hierin nicht einmal so weit, als das Appenzeller Weib, das seinem Kind schon in den ersten Wochen seines Lebens, einen mit vielen Farben bemalten, großen papiernen Vogel über die Wiege hängt, und auf diese Weise bestimmt den Punkt bezeichnet, an welchem die Kunst anfangen sollte, dem Kind die Gegenstände der Natur zum festen und klaren Bewußtsein zu bringen.
Lieber Freund! Wer es gesehen, wie das zwei- und dreiwöchige Kind mit Händen und Füßen nach diesem Vogel hinlangt, und sich dann denkt, wie leicht es der Kunst möglich wäre, durch eine Reihenfolge solcher sinnlicher Darstellungen, ein allgemeines Fundament der sinnlichen Anschauung aller Gegenstände der Natur und der Kunst, bei dem Kind zu legen, das dann allmählich auf vielseitigen Wegen näher zu bestimmt, und immer weiter ausgedehnt werden könnte! Wer sich dieses alles denkt, und dann nicht fühlt, was wir bei unserem nicht bloß gotisch-mönchischen, sondern noch als gotisch-mönchisch erlahmten, und uns selber zum Ekel gewordenen Erziehungsschlendrian versäumen, wahrlich bei dem sind Hopfen und Malz verloren.
Mir ist der Appenzeller Vogel wie dem Ägypter der Stier, ein Heiligtum, und ich habe alles getan, meinen Unterricht bei dem Punkt, von welchem das Appenzeller Weib ausgeht, anzufangen. Ich gehe noch weiter; ich überlasse es weder bei dem ersten Anfangspunkt, noch in der ganzen Reihenfolge der Erkenntnismittel dem Zufall, was Natur Lage und Mutterliebe dem Kind von seinem unmündigen Alter an vor die Sinne bringe, ich habe alles getan, um es möglich zu machen mit Vorbeigehung des Zufälligen, das Wesentliche aller Anschauungserkenntnisse selber dem Kind schon in diesem Alter vor seine Sinne zu bringen, und das Bewußtsein ihres Eindrucks ihm unvergeßlich zu machen.
Der erste Kurs des Buches der Mütter ist nichts anderes, als ein Versuch, die Anschauung selber zur Kunst zu erheben, und die Kinder in allen drei Elementarfächern ihrer Erkenntnis, in Form, Zahl und Wort zum umfassendsten Bewußtsein aller Anschauungen zu führen, deren bestimmtere Erkenntnis, die Fundamente ihres späteren Wissens ausmachen werden.
Dieses Buch soll nicht nur die umfassendste Darstellung der wesentlichsten Gegenstände unserer Erkenntnis, sondern es soll auch den Stoff lückenloser Reihenfolgen dieser Gegenstände enthalten, die den Kindern, schon bei der ersten Anschauung, das Gefühl ihres vielseitigen Zusammenhangs und ihrer vielseitigen Ähnlichkeiten, regezumachen, geschickt sind.
In dieser Rücksicht leistet das Buchstabierbuch das nämliche, was das Buch der Mütter leistet. Das einfache vor die Ohren bringen der Töne, und die bloße Regemachung des Bewußtseins ihres Eindrucks durch das Gehör ist für das Kind so gut Anschauung, als das einfache vor Augen stellen der Gegenstände, und die bloße Regemachung des Bewußtseins durch ihren Eindruck auf den Sinn des Gesichts. Hierauf gegründet, habe ich dieses Buchstabierbuch so eingerichtet, daß sein erster Kurs nichts anderes als bloße Anschauung ist, d.h. bloß auf der einfachen Bemühung beruht, dem Kind die ganze Reihenfolge der Töne, die ihm hernach zum Fundament seiner Sprachkenntnisse dienen müssen, in eben dem Alter vor den Sinn des Gehörs zu bringen, und das Bewußtsein derselben unauslöschlich zu machen, in welchem ich ihm, durch das Buch der Mütter, die sichtbaren Gegenstände der Welt, deren bestimmte Erkenntnis die Fundamente seines späteren Wissens sein müssen, vor den Sinn des Gesichts bringe.
Dieser nämliche Grundsatz: die Anschauung zur Kunst zu erheben, hat ebenfalls auch im dritten Elementarmittel unserer Erkenntnis statt. Auch die Zahl ist an sich selbst, ohne das Fundament der Anschauung, für unseren Geist ein Unding; das Kind muß ihre Form kennen, ehe es imstande ist, sie als Zahlenverhältnisse, d.i., als Fundament seines deutlichen Bewußtseins ihres bestimmten Mehrs oder Minders, ins Auge zu fassen. Ich habe daher im Buch der Mütter die zehn ersten Zahlen als Finger, als Klauen, Blätter, Punkte, dann auch als Dreieck, Viereck und Achteck usw. dem Kind schon in diesem Alter vielseitig zur Anschauung gebracht.
Nachdem ich dieses in allen drei Fächern getan, und die einfache Anschauung als absolutes Fundament aller sinnlichen Erkenntnis in demselben also festgesetzt, erhebe ich dann die Anschauung hinwieder in allen diesen Fächern zur Anschauungskunst, d.h. zum Mittel, die Gegenstände der Anschauung als Gegenstände meines Urteils und meiner Kunstfertigkeiten ins Auge zu fassen.
Durch diesen Weg führe ich das Kind, in Rücksicht auf das erste Elementarmittel unserer Erkenntnis, die Form, nachdem ich dasselbe im Buch der Mütter mit der vielseitigsten Anschauung der Gegenstände und ihrer Namen bekannt gemacht habe, zum ABC der Anschauungskunst. Durch dieses soll es nun in den Stand gesetzt werden, sich über die Form der Gegenstände, deren es sich im Buch der Mütter, bestimmt, aber nicht deutlich bewußt worden, darüber Rechenschaft geben zu können. Dieses Buch soll das Kind dahin bringen, sich in Rücksicht auf die Formen aller Dinge zu bestimmten Begriffen, über das Verhältnis ihres Inhalts zum gleichseitigen Viereck zu erheben, und auf diese Weise im ganzen Umfang dieses Unterrichtsfaches eine ganze Reihenfolge von Mitteln zu finden, von dunklen Anschauungen zu deutlichen Begriffen zu gelangen.
In Betreff des zweiten Urmittels unserer Erkenntnis, der Zahl, gehe ich wieder den nämlichen Weg. Nachdem ich dem Kind durch das Buch der Mütter, schon im unmündigen Alter, den Begriff der zehn ersten Grundzahlen zum klaren Bewußtsein zu bringen, gesucht habe, versuche ich, ihnen diese Ausdrücke des Mehrs und Minders aller Dinge, durch allmähliche Zusammenstellung einer Einheit zu einer anderen, die Natur der Zwei und dann die der Drei usw. bekannt zu machen. Und so bringe ich zuerst die Anfangspunkte aller Rechnungsarten den Kindern zur heitersten Anschauung, und mache ihnen zugleich die Ausdrücke, durch die ihre Form bezeichnet wird, bis zur Unauslöschlichkeit geläufig, und bringe die Anfänge der Rechenkunst überhaupt, in Reihenfolgen, die von ihren ersten Anfangspunkten an nichts anderes sind, als ein psychologisch sicherer und lückenloser Vormarsch von tief eingeprägten Anschauungsurteilen zu einer kleinen Hinzusetzung einer neuen, - aber nur von 1 zu 2, und von 2 zu 3 steigenden Anschauung. Die durch Erfahrung gesicherte Folge dieses Ganges ist, daß, wenn die Kinder in irgendeiner Rechnungsart die Anfänge ganz begriffen haben, sie von nun an imstande sind, ohne weitere Hilfe auf diese Weise vorzuschreiten, und so weit fortzufahren, als die Reihenfolge selber ihrer Natur nach hinführt.
Es ist überhaupt in Rücksicht auf meine Methode zu bemerken, daß sie dahin führt, den Kindern die Fundamente eines Faches so einleuchtend zu machen, daß sie, in jeder Stufe ihres Lernens dasjenige, was sie können, sich bis zur Vollendung eigen machen müssen, so daß sie in jedem Fall, insoweit sie vorgeschritten sind, auch unbedingt als Lehrmeister ihrer jüngeren Geschwister, angesehen werden können.
Das Wesentlichste, was ich in Rücksicht auf die Vereinfachung und Verdeutlichung des Zahlenunterrichts leiste, ist dieses: daß ich nicht nur das Bewußtsein der inneren Wahrheit aller Zahlenverhältnisse dem Kind durch Anschauungsmittel zum unauslöschlichen Bewußtsein bringe; sondern das Bewußtsein der Wahrheit der Anschauung mit der Wahrheit der Größenlehre vereinige, und das gleichseitige Viereck zum gemeinsamen Mittel der Anschauungskunst und der Rechenkunst erhoben habe.
Das dritte Urmittel unserer Erkenntnis, die Sprache, ist in Betracht der Anwendung meiner Grundsätze der größten Ausdehnung fähig.
Wenn auf der einen Seite, die Kenntnis der Form und der Zahl, der Kenntnis der Sprache vorhergehen soll, und diese letzte zum Teil aus den zwei ersten entspringen muß, so ist hingegen der Fortschritt der Sprachkunst schneller, als diejenigen der Anschauungskunst und der Rechenkunst. Eigentlich geht der Eindruck der Anschauung in Form und Zahl der Sprachkraft vorher, die Anschauungskunst und die Rechenkunst hingegen gehen der Sprachkunst nach. Das große Kennzeichen der Eigenheit und der höheren Beschaffenheit unserer Natur, die Sprache, fängt durch die Schallkraft an, sich zu entwickeln, wird denn durch den allmählich ausgebildeten Schall zum bestimmten Wort und durch das bestimmte Wort allmählich zur Sprache. Die Natur brauchte Jahrtausende, unser Geschlecht zur vollendeten Sprachkunst zu erheben, und wir lernen jetzt dieses Kunststück, zu dem die Natur Jahrtausende brauchte, in wenigen Monaten; aber dennoch müssen wir, wir dürfen nicht anders, eben den Weg gehen, den die Natur mit dem Menschengeschlecht ging. Und sie ging unstreitig auch hier von der Anschauung aus. Schon der einfachste Schall, durch den der Mensch den Eindruck, den ein Gegenstand auf ihn machte, auszudrücken strebte, war Ausdruck der Anschauung. Die Sprache meines Geschlechtes war lange nichts anderes, als eine mit Mimik vereinigte Schallkraft, die die Töne der belebten und leblosen Natur nachahmte. Von Mimik und Schallkraft ging sie zu Hieroglyphen und einzelnen Worten hinüber, und gab lange einzelnen Gegenständen einzelne Namen. Dieser Zustand der Sprache ist im ersten Buch Moses, Kap. 11, v. 19. 20. erhaben, ausgedrückt: » Gott der Herr brachte zu Adam alle Tiere auf Erden und alle Vögel unter dem Himmel, daß er sie anschaue und benenne. Und Adam gab jeglichem Tier seinen Namen.«
Von diesem Punkt ging die Sprache allmählich weiter; sie bemerkte zuerst die auffallendsten Unterscheidungsmerkmale der Gegenstände, die sie benannte; dann kam sie zu den Eigenschaftsbenennungen und mit diesen zu den Benennungen der Verschiedenheiten des Tuns und der Kräfte der Gegenstände. Viel später entwickelte sich die Kunst, das einzelne Wort selbst vielbedeutend zu machen, die Einheit, die Mehrheit, die Größe seines Inhalts, das viele und das wenige seiner Form und seiner Zahl und endlich sogar alle Abänderungen und Beschaffenheiten eines Gegenstandes, welche die Verschiedenheit von Zeit und Raum in ihm hervorbringen, durch die Abänderung der Form und Zusammensetzung des nämlichen Worts, mit sicherer Bestimmtheit auszudrücken.
In allen diesen Epochen war die Sprache unserem Geschlecht ein Kunstmittel, die Progressen des wirklichen Klarwerdens seiner vielseitigen Intuitionen, durch die Schallkraft sich nicht nur zu vergegenwärtigen, sondern auch sich den Eindruck davon unvergeßlich zu machen.
Der Sprachunterricht ist also seiner Natur nach nichts anderes, als eine Sammlung psychologischer Vorteile, um die Eindrücke (Empfindungen und Gedanken) zu äußern und sie, die sonst vorübergehend und unmitteilbar wären, dadurch, daß wir sie an ein Wort knüpfen, mit allen ihren Modifikationen bleibend und mitteilbar zu machen. Dieses kann aber vermöge der ewigen Gleichheit der Menschennatur, nur durch die Übereinstimmung der Sprachlehre mit dem ursprünglichen Gang, durch welche die Natur selber unsere Sprachkraft zu der Kunstkraft erhoben, in welcher wir sie jetzt besitzen, geschehen; das heißt, aller Sprachunterricht muß von der Anschauung ausgehen, er muß die Mimik durch die Anschauungskunst und die Zahlenlehre überflüssig machen, er muß die Nachahmung von den Tönen der leblosen und belebten Natur, durch Reihenfolgen von Kunsttönen ersetzen; dann muß er von der Tonlehre, oder vielmehr von der allgemeinen Übung des Organs in allen möglichen menschlichen Tönen, allmählich zur Wortlehre, zur Nomenklatur und von dieser zur Sprachlehre, zur grammatikalischen Abänderung und Zusammensetzung der Wörter übergehen; aber auch in dieser Klassenstufe muß er den langsamen progressiven Schritt halten, den die Natur ihm in der Entwicklung der Völker zur Sprachkunst vorgezeichnet hat.
Allein jetzt fragt es sich: wie habe ich diesen Gang der Natur durch die drei Epochen, in welche Natur und Erfahrung die Entwicklung der Sprachkraft eingeteilt haben, in bezug auf die Tonlehre, die Wortlehre und die Sprachlehre festgehalten, und wie habe ich die Formen meiner Unterrichtsmittel in diesen Fächern, mit den eben geäußerten Epochen in Übereinstimmung gebracht? Der Tonlehre habe ich durch Festhaltung und Auszeichnung der Vokale, als der eigentlichen Wurzel aller Töne, und durch allmähliches Hinzusetzen einzelner Konsonanten vor und hinter den Vokalen, die höchste Umfassung gegeben, deren sie fähig ist, und dadurch es möglich gemacht, dem Wiegenkind diese umfassenden Sprachtöne und ihre Reihenfolgen zum festen Bewußtsein zu bringen; ich habe es sogar möglich gemacht, den Unmündigen bei diesem Unterricht eine innere Anschauung der äußeren, durch welche letztere die willkürlichen Zeichen der Töne dem Kind vor die Augen gebracht werden, vorhergehen zu lassen; indem ich hierin dem Eindruck auf das Ohr, den Vorsprung vor dem Eindruck auf das Auge, der in Rücksicht auf die Tonlehre in der Natur liegt, gesichert, und dann weiter die Erleichterung dieses Unterrichtsfaches dadurch befördert habe, daß ich die Reihenfolgen der Töne in diesem Buch so ordnete, daß jeder folgende Ton mit dem vorhergehenden durch die höchste Ähnlichkeit verwandt und beinahe immer nur durch die Hinzusetzung eines einzigen Buchstabens von demselben verschieden ist. So steige ich durch die vollendete Fertigkeit des Syllabierens zur Wortlehre, zur Nomenklatur, und gebe dem Kind das Wort, im ersten Lesebuch, im Diktionarium, wieder in Reihenfolgen, die durch die größtmögliche Annäherung der Ähnlichkeit ihrer Form, den Fortschritt des Lesenlernens zum leichtesten Spiel macht indem ich dieses Wort durch eine fortdauernde Hinzusetzung weniger neuer Buchstaben, zu tief eingeprägten und geläufig ausgesprochenen vorhergehenden Buchstaben, ankette. Nebenbei legt das Buch der Mütter dem Redenlernen des Kindes und der Verdeutlichung der Wörter, die es auszusprechen hat, die vielseitigste Anschauung zum Grunde.
Der unermeßliche Kreis der Anschauungserkenntnisse, den die Natur dem Kind im frühesten Alter zum Bewußtsein bringt, ist in diesem Buch psychologisch gereiht und konzentriert, und das hohe Gesetz der Natur, vermöge dessen sie dem Kind das Nähere immer stärker als das Fernere einprägt, mit dem für den Unterricht so wichtigen Grundsatz vereinigt; das Wesen der Dinge auf die Kinder einen weit stärkeren Eindruck machen zu lassen, als die wandelbaren Beschaffenheiten desselben. Der unermeßliche Umfang der Sprache und der Anschauungserkenntnisse wird in diesem Buch durch die Konzentrierung und psychologische Reihung der Gegenstände dem Kind leicht übersehbar gemacht; nur die einzelnen Gegenstände der Natur sind zahllos, die wesentlichen Verschiedenheiten derselben sind es nicht, und darum können auch die Gegenstände, wenn sie nach diesen Verschiedenheiten geordnet sind, dem Kind leicht übersehbar gemacht werden.
Eben diesen Grundsätzen unterwerfe ich dann auch die eigentliche Sprachlehre. Meine Grammatik ist nichts anderes, als eine Reihenfolge von Mitteln, das Kind durch eine jede Art von Abänderung der Wortfügungen, von dunklen Anschauungen zu deutlichen Begriffen zu führen. Ich benutzte selbst die Schreibkunst, insofern auch sie als Sprachlehre angesehen werden kann, zu diesem Zweck, und habe überhaupt alle Mittel die Natur und Erfahrung mir zur Verdeutlichung der Begriffe an die Hand gegeben, zu diesem Zweck zu gebrauchen, gesucht. Die empirischen Versuche, die ich hierüber angestellt habe, zeigten mir vorzüglich, daß unser Mönchsunterricht, durch seine Vernachlässigung aller Psychologie, uns nicht nur in allen Fächern von diesem letzten Ziel des Unterrichtes entfernt, sondern sogar noch bestimmt dahin wirkt, uns die Mittel, die uns die Natur selber auch ohne Beihilfe der Kunst zur Verdeutlichung unserer Begriffe anbietet, zu rauben und uns die Benutzung dieser Mittel, durch unser inneres Verderben unmöglich zu machen.
Freund! Es übersteigt allen Glauben, in welche Zernichtung, alle Realkraft unserer Weltteile, durch die Unnatürlichkeit unseres Mönchsunterrichtes und alle Elendigkeit seiner isolierten Brockenlehren versenkt worden, und in welchem Grad alle Naturmittel sich durch Anschauung zu richtigen Kenntnissen zu erheben, und alle Reize, sich für diesen Zweck anzustrengen dadurch in unserer Mitte verlorengegangen, weil diese Brockenlehre uns mit dem Zuber einer Sprache blendete, die wir redeten, ohne von den Begriffen, die wir durch den Mund laufen ließen, irgendeine anschauliche Erkenntnis zu haben. Ich sage es noch einmal: der Troß unserer öffentlichen Schulen gibt uns nicht nur nichts, er löscht im Gegenteil noch das in uns aus, was die Menschheit auch ohne Schulen allenthalben hat, und was jeder Wilde in einem Grade besitzt, von dem wir uns keine Vorstellung machen. Es ist eine Wahrheit, die sich für keinen Weltteil, wie für den unsrigen, und für kein Zeitalter, wie für das unsrige anwenden läßt. Ein Mensch, der mit Mönchskunst zu einem Wortnarren gebildet wird, ist insoweit für die Wahrheit unempfänglicher als ein Wilder, und insoweit auch unfähiger als niemand, von der Führung der Natur und dem, was sie zur Verdeutlichung unserer Begriffe selbst tut, Gebrauch zu machen. Diese Erfahrungen haben mich auch dahin gebracht, daß ich jetzt bis zur Überzeugung einsehe: der öffentliche und allgemeine europäische Schulwagen müsse nicht bloß besser angezogen, er müsse vielmehr umgekehrt, und auf eine ganz neue Straße gebracht werden; ich bin durch diese Erfahrung überzeugt, das Fundament seines Irrtums, das Sprachverderben unseres Zeitalters und unser einseitiges Maulbrauchen, muß zuerst zum Tode gebracht und ins Grab gelegt werden, ehe es möglich sein wird, durch Unterricht und Sprache wieder Wahrheit und Leben in unserem Geschlecht hervorzubringen. Das ist freilich eine harte Rede, und ich denke fast selber: Wer mag sie hören! - aber ich bin durch Erfahrungen, die dieser Rede zum Grunde liegen, dahin gekommen, mit Entschlossenheit alle halben Maßregeln zu verwerfen und für den Elementarunterricht bestimmt alle Lehrbücher beiseits zu legen, in welchen auch nur eine Zeile voraussetzt; das Kind könne reden, ehe es reden gelernt hat. Und da alle Lehrbücher, die in der gewöhnlichen Zusammensetzung der vollendeten Sprachkunst geschrieben sind, dieses voraussetzen, so würde ich, wenn ich Einfluß hätte, mit den Schulbibliotheken oder wenigstens mit den Elementarbüchern, die für das jüngste Alter bestimmt sind, wahrlich ganz unbarmherzig handeln müssen.
Im Ernst, lieber Freund! die Natur verkennt die vielseitigen und künstlichen Zusammensetzungen der vollendeten Sprachkunst, in der ersten Epoche der Völkerbildung zur Sprache, ganz und gar, und das Kind versteht diese Zusammensetzungen so wenig, als der Barbar; es gelangt wie dieser nur allmählich durch dauernde Übung in einfachen Zusammensetzungen zur Kraft, die verwickelten zu begreifen; daher gehen meine Sprachübungen von Anfang an einen Weg, der mit Beseitigung allen Wissens und aller Erkenntnis, die nur durch die vollendete Sprachkunst erzielt werden kann, die Elemente der Sprache selber erforscht, und dem Kind die Vorzüge der gebildeten Sprache in eben der Stufenfolge, eigen macht, in der die Natur das Menschengeschlecht zu denselben emporhob.
Lieber Freund! Werden mich die Menschen auch hierin mißkennen? - Werden auch hierin wenige sein, die mit mir wünschen, daß es mir gelinge, dem rasenden Zutrauen auf leere Worte, das unser Zeitalter entmannet, Ziel und Damm zu setzen, Wort und Schall in den Vorstellungen der Menschen gewichtlos zu machen, und der Anschauung dasjenige Übergewicht im Unterricht wiederherzustellen, welches ihr vor Wort und Schall so sichtbar zugehört?
Ja, Freund! es werden lange, lange ihrer nur wenige sein. Das Maulwaschen unserer Zeit hängt zu sehr mit dem Brotverdienst und den Gewohnheitsanhänglichkeiten von Zehntausenden und Hunderttausenden zusammen, als daß es nicht lange, lange gehen müßte, ehe unsere Zeitmenschen Wahrheiten, die so sehr ihren sinnlichen Verhärtungen entgegenstehen, mit Liebe auf ihren Schoß nehmen werden. - Doch ich gehe meinen Weg und sage noch einmal: Jede Wissenschaftslehre, die durch Menschen diktiert, expliziert, analysiert wird, welche nicht übereinstimmend mit den Gesetzen der Natur reden und denken gelernt haben; und so wieder, jede Wissenschaftslehre, deren Definitionen den Kindern wie ein Deus ex machina in die Seele gezaubert, oder vielmehr, wie durch Theatersouffleure in die Ohren geblasen werden muß, wird, insoweit sie diesen Gang geht, notwendig zu einer elenden Komödiantenbildungsmanier versinken. Da wo die Grundkräfte des menschlichen Geistes schlafend gelassen, und auf die schlafenden Kräfte Worte gepfropft werden, - da bildet man Träumer, die um so schattenhafter träumen, als die Worte groß und anspruchsvoll waren, die auf ihr elendes gähnendes Wesen aufgepfropft worden sind. Solche Zöglinge träumen dann freilich auch alles andere eher, als - daß sie träumen und schlafen, aber alle Wachenden um sie her fühlen alle ihre Anmaßungen, und halten sie - wenn's gut geht, für Nachtwandler.
Der Gang der Natur in der Entwicklung unseres Geschlechts ist unwandelbar. - Es gibt und kann nicht zwei gute Unterrichtsmethoden geben - es ist nur eine gut, - und diese ist diejenige, die vollkommen auf den ewigen Gesetzen der Natur beruht; aber schlechte gibt es unendlich viele, und die Schlechtheit einer jeden derselben steigt in dem Maße, als sie von den Gesetzen der Natur abweicht, und mindert sich in dem Grade, als sie sich der Befolgung dieser Gesetze nähert. Ich weiß wohl, daß die einzige Gute weder in meinen, noch in den Händen irgendeines Menschen ist, aber ich suche mit der Kraft die in meiner Hand liegt, dieser einzigen, wahrhaft Guten zu nähern.
In Absicht auf die Beurteilung aller anderen habe ich nur eine einzige Regel: An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Menschenkraft und Muttersinn, Menschenkraft und Mutterwitz, als Folgen einer jeden Methode sind mir die einzigen Gewährleister des Grades ihres inneren Werts, jede Methode aber, die dem Lehrling das Gepräge allgemein erstickter Naturkräfte, und den Mangel an Menschensinn und Mutterwitz auf seine Stirn brennt, die ist von mir, was sie auch immer sonst für Vorzüge haben mag, verurteilt. Ich bin es zwar nicht in Abrede, daß auch eine solche Methode gute Schneider, Schuhmacher, Kaufleute und Soldaten hervorbringen könne, aber das bin ich in Abrede, daß sie einen Schneider oder einen Kaufmann hervorbringen könne, der im hohen Sinn des Worts ein Mensch ist. Möchten die Menschen doch einmal fest ins Auge fassen, daß das Ziel allen Unterrichts ewig nichts anderes ist, und nichts anderes sein kann, als entwickelte Fähigkeiten und deutliche Begriffe; möchten sie von diesem Gesichtspunkt ausgehend, sich bei jedem Schritt des Unterrichtes fragen: führt er denn wirklich zu diesem Ziel?
Ich fasse den Teil desselben, der eben vor mir liegt, noch einmal ins Auge. Deutliche Begriffe sind dem Kind nur diejenigen, zu deren Klarheit ihm seine Erfahrung nichts mehr beizutragen vermag. Dieser Grundsatz entscheidet erstlich über die Stufenfolgen der zu entwickelnden Kräfte und Fertigkeiten, durch welche die allmähliche Anbahnung der Klarheit aller Begriffe erzielt werden muß; Zweitens über die Stufenfolge der Gegenstände, nach welcher die Übungen in den Definitionen mit den Kindern angefangen und darin fortgeschritten werden muß, und endlich über den Zeitpunkt, in welchen Definitionen jeder Art für das Kind wirkliche Wahrheiten enthalten können.
Offenbar muß die Klarheit der Begriffe durch den Unterricht bei dem Kind bearbeitet werden, ehe man ihm die Fähigkeit voraussetzen kann, das Resultat derselben, den deutlichen Begriff, oder vielmehr die wörtliche Darlegung desselben, zu verstehen.
Der Weg zu deutlichen Begriffen beruhet auf einer ihrem Verstand angemessenen Anordnung des Klarmachens aller Gegenstände, deren Deutlichkeit man bezweckt. Diese Anordnung aber beruhet hinwieder auf der Vereinigung aller Kunstmittel, durch welche die Kinder dahin gebracht werden, sich über die Beschaffenheit aller Dinge und vorzüglich über Maß, Zahl und Form eines jeden Gegenstandes, bestimmt auszudrücken. Auf diesem Wege und auf keinem anderen kann das Kind zu Definitionen hingeführt worden, die ihm Begriffe von den zu definierenden Sachen geben. Denn Definitionen sind nichts anderes, als der einfachste und reinste Ausdruck deutlicher Begriffe, sie enthalten aber für das Kind nur insoweit wirkliche Wahrheit, als sich dasselbe des sinnlichen Hintergrundes dieser Begriffe mit großer umfassender Klarheit bewußt ist; wo ihm die bestimmteste Klarheit in der Anschauung eines ihm definierten sinnlichen Gegenstandes mangelt, da lernt es bloß mit Worten aus der Tasche spielen, sich selbst täuschen, und blindlings an Töne glauben, deren Klang ihm keinen Begriff beibringen oder einen anderen Gedanken veranlassen wird, als daß es eben einen Laut von sich gegeben habe.
Hinc illae lacrimae!
Schwämme wachsen beim Regenwetter schnell aus jedem Misthaufen; und auf die gleiche Weise erzeugen anschauungslose Definitionen ebenso schnell eine schwammige Weisheit, die aber am Sonnenlicht sehr schnell sterben, und den heiteren Himmel als das Gift ihres Daseins anerkennen muß. Das grundlose Wortgepränge einer solchen fundamentlosen Weisheit erzeugt Menschen, die sich in allen Fächern am Ziel glauben, weil ihr Leben ein mühseliges Geschwätz von diesem Ziel ist, aber sie bringen es nie dahin, danach zu laufen, weil es durch ihr Leben niemals in ihrer Anschauung jenen anziehenden Reiz hatte, der wesentlich notwendig ist, irgendeine menschliche Anstrengung zu erzeugen. Unser Zeitalter ist voll solcher Menschen, und es liegt an einer Weisheit krank, die uns zum Ziel des Wissens, wie Krüppel auf die Rennbahn, pro forma hinträgt, ohne daß sie dieses Ziel jemals zu ihrem Ziel machen könnte, ehe ihre Füße kuriert worden sind. Den Definitionen geht wesentlich die Kraft der Beschreibungen voraus. Was mir ganz klar ist, das kann ich um deswillen noch nicht definieren, wohl aber beschreiben, d.i. ich kann von ihm bestimmt sagen, wie es beschaffen ist, aber nicht, was es ist: ich kenne bloß den Gegenstand, das Individuum, seine Gattung und seine Art kann ich ihm aber noch nicht anweisen. Was mir aber nicht ganz klar ist, von dem kann ich nicht bestimmt sagen, wie es beschaffen ist, geschweige, was es ist; ich kann es nicht einmal beschreiben, geschweige, daß ich es definieren könnte. Wenn mir nur ein dritter die Worte in den Mund legt, wodurch ein anderer, dem die Sache klar war, dieselbe Leuten von seinem Schlage deutlich macht, so ist sie um deswillen mir noch nicht deutlich, sondern sie ist und bleibt insoweit die deutliche Sache des anderen und nicht die meinige, als die Worte dieses anderen, das für mich nicht sein können, was sie für ihn sind: der bestimmte Ausdruck der vollendeten Klarheit seines Begriffes.
Der Zweck, den Menschen mit psychologischer Kunst und nach den Gesetzen des physischen Mechanismus, zu deutlichen Begriffen und ihrem letzten Mittel, zu Definitionen zu führen, ruft einer diesem letzten Mittel wesentlich vorausgehender Kettenfolge aller Darstellungen der physischen Welt, die von der Anschauung einzelner Gegenstände zu ihrer Benennung, von ihrer Benennung zur Bestimmung ihrer Eigenschaften, das ist, zur Kraft ihrer Beschreibung, und von der Kraft sie zu beschreiben, zur Kraft sie zu verdeutlichen, oder zu definieren, allmählich fortschreitet. Weisheit in der Führung zur Anschauung ist also offenbar der Anfangspunkt, auf welchen diese Kettenfolge der Mittel, zu deutlichen Begriffen zu gelangen, gebaut werden muß, und es ist offenbar, das letzte Ausreifen des Ziels allen Unterrichtes, die Deutbarkeit eines jeden Begriffes, ebenso wesentlich von der vollendeten Kraft seines ersten Entkeimens abhängt.
Wo im weiten Kreis der allwirkenden Natur irgendein Gegenstand in seinem Keim unvollkommen gebildet ist, da hat sie ihre Kraft, ihn durch reifende Vollendung zur Vollkommenheit zu bringen, verloren. Alles, was nicht in seinem Keim vollendet ist, das wird in seinem Wachstum, d.i. in der äußeren Entwicklung seiner Teile, verkrüppelt; dieses ist in den Produkten deines Geistes so wahr, als in den Produkten deines Gartenbeetes; es ist in dem Resultat jedes einzelnen Anschauungsbegriffes so wahr, als in dem bestimmten Zustand eines ausgewachsenen Krauthaupts.
Das vorzügliche Mittel, Verwirrung, Lücken und Oberflächlichkeit in der menschlichen Bildung zu verhüten, beruhet also hauptsächlich in der Sorgfalt, die Anfangseindrücke der wesentlichsten Gegenstände unserer Erkenntnis, dem Kind bei ihrer ersten Anschauung so bestimmt, so richtig und so umfassend vor die Sinne zu bringen, als immer möglich. Schon bei der Wiege des unmündigen Kindes muß man anfangen die Führung unseres Geschlechts der blinden spielenden Natur aus den Händen zu reißen, und sie in die Hand der besseren Kraft zu legen, die uns die Erfahrung von Jahrtausenden über das Wesen ihrer ewigen Gesetze abstrahieren gelehrt hat.
Du mußt die Gesetze der Natur von ihrem Gang, das ist von ihren einzelnen Wirkungen, und von den Darstellungen dieser Wirkungen, wesentlich sondern; in Rücksicht auf ihre Gesetze ist sie ewige Wahrheit, und für uns ewige Richtschnur aller Wahrheit, aber in Rücksicht auf ihren Gang und auf die einzelne Darstellung ihres Ganges, ist sie für das Individuum meines Geschlechts nicht befriedigend; sie ist ihm und für dasselbe nicht genugtuende Wahrheit. Dem Ganzen geheiliget, scheint sie unbesorgt für das einzelne Geschöpf, und vorzüglich für den Menschen, dessen Selbständigkeit sie durch keine Art von Vormundschaft schmälern will.
In dieser Rücksicht und in keiner anderen ist es zu verstehen, daß sie sorglos und blind heiße, und daß sie fordere, daß die Leitung unseres Geschlechts ihr aus den Händen gerissen werde. Aber in dieser Rücksicht ist es ganz wahr und für mein Geschlecht dringend. Wo du die Erde der Natur überläßt, da trägt sie Unkraut und Disteln, und wo du ihr die Bildung deines Geschlechts überläßt, da führt sie dasselbe weiter nicht, als - in den Wirrwarr einer Anschauung; die weder für deine noch für die Fassungskraft deines Kindes so geordnet ist, wie ihr es für den ersten Unterricht bedürfet. Es ist daher gar nicht in den Wald oder auf die Wiese, wo man das Kind gehen lassen muß, um Bäume und Kräuter kennenzulernen; Bäume und Kräuter stehen hier nicht in den Reihenfolgen, welche die geschicktesten sind, das Wesen einer jeden Gattung anschaulich zu machen, und durch den ersten Eindruck des Gegenstandes zur allgemeinen Kenntnis des Faches vorzubereiten. Um dein Kind auf dem kürzesten Wege zum Ziel des Unterrichts, zu deutlichen Begriffen, zu führen, mußt du ihm mit großer Sorgfalt in jedem Erkenntnisfach zuerst solche Gegenstände vor Augen stellen, welche die wesentlichsten Kennzeichen des Faches, zu welchem dieser Gegenstand gehört, sichtbar und ausgezeichnet an sich tragen, und dadurch besonders geschickt sind, das Wesen desselben im Unterschied seiner wandelbaren Beschaffenheit in die Augen fallen zu machen, versäumst du aber dieses, so bringst du das Kind beim ersten Anblick des Gegenstandes dahin, die wandelbare Beschaffenheit desselben als wesentlich anzusehen, und sich auf diese Weise in der Kenntnis der Wahrheit wenigstens zu verspäten, und den kürzesten Weg in einem jeden Fach von dunklen Anschauungen zu deutlichen Begriffen zu gelangen, zu verfehlen.
Ist aber dieser Irrtum in deiner Unterrichtsweise vermieden, und sind die Reihenfolgen nach welchen alle Gegenstände dem Kind in allen Fächern deines Unterrichts zur Anschauung gebracht worden, von den ersten Anfangspunkten an also geordnet, daß der Eindruck von dem Wesen eines jeden Gegenstandes, sich schon bei den ersten Anschauungen desselben, über den Eindruck seiner Beschaffenheit zu erheben anfängt; so lernt das Kind schon von diesem ersten Eindruck an, das Wandelbare des Gegenstandes, dem Wesen desselben unterzuordnen, und wandelt unwidersprechlich auf der sicheren Bahn, auf welcher sich mit jedem Tag seine Kraft entwickelt, alle zufällige Beschaffenheiten der Gegenstände mit hoher Einfachheit an das tiefe Bewußtsein ihres Wesens und ihrer inneren Wahrheit anzuketten, und so in der ganzen Natur, als in seinem offenen Buch, zu lesen. Gleichwie nun ein sich selbst überlassenes Kind verstandlos in die Welt hineinguckt, und durch die Verirrungen einzelner, blindlings aufgefundener Erkenntnisbruchstücke, täglich von Irrtum zu Irrtum herabsinkt; so steigt hingegen ein Kind, welches von der Wiege an jenen Weg geführt wurde, täglich von Wahrheit zu Wahrheit. Alles was ist, oder wenigstens der ganze Erfahrungskreis in dem es lebt, kettet sich mit Reinheit und Umfassung seiner innerer Kraft aneinander, und es hat insoweit keinen Irrtum im Hintergrund seiner Ansichten. Die ersten Ursachen der Täuschung sind beides, in der Natur seiner Ansichten und in ihm selber, gehoben, es ist in seinem Innern keine Neigung zu irgendeinem Irrtum künstlich und schulgerecht organisiert worden, und das nihil admirari, das jetzt bald nur als die Anmaßung des verkrüppelten Alters zum Vorschein kommt, wird durch diese Führung das Los der Unschuld und der Jugend; die Erreichung des letzten Zieles des Unterrichts, deutliche Begriffe - führen uns diese nun zu der Behauptung, daß wir nichts, oder zu der, daß wir alles kennen, das gilt gleich viel - wird nun, wenn das Kind einmal dahin gelangt ist, und es Menschenanlagen hat, notwendig. Um dieses hohe Ziel zu erreichen, um die Mittel zu organisieren und sicherzustellen, und vorzüglich um die ersten Anschauungseindrücke der sinnlichen Gegenstände mit der Umfassung und Bestimmtheit zu geben, welche wesentlich erfordert wird, um auf ihr Fundament lückenlose, Irrtum allgemein verhütende, und die Wahrheit allgemein begründende, Reihenfolgen unserer Erkenntnismittel zu bauen, habe ich vorzüglich im Buch der Mütter die umfassendsten Erfordernisse dieses Ziels fest ins Auge genommen, und, Freund! es ist mir gelungen, ich bin dahin gekommen, das sinnliche Erkenntnisvermögen meiner Natur durch dieses Buch soweit zu stärken, daß ich zum voraus sehe, daß Kinder, die nach ihm geführt werden, das Buch allgemein wegwerfen, und in der Natur, und in allem, was sie umgibt, eine bessere Wegweisung zu meinem Ziel finden werden, als diejenige, die ich ihnen gegeben.
Freund! das Buch ist noch nicht da, und ich sehe schon sein Wieder-verschwinden durch seine Wirkung!