Die Abendstunde eines Einsiedlers
PSW 1, S. 261-281
Siehe dazu die Einführung von Arthur Brühlmeier
Vatersinn Gottes; Kindersinn der Menschen.
Vatersinn des Fürsten, Kindersinn der Bürger.
Quellen aller Glückseligkeit
Der Mensch, so wie er auf dem Throne und im Schatten des Laubdaches sich gleich ist: der Mensch in seinem Wesen, was ist er? Warum sagen's die Weisen uns nicht? Warum nehmen die erhabenen Geister nicht wahr, was ihr Geschlecht sei? Braucht auch ein Bauer seinen Ochsen und lernt ihn nicht kennen! Forscht ein Hirt nicht nach der Natur seiner Schafe!
Und ihr, die ihr den Menschen braucht und sagt, daß ihr ihn hütet und weidet, nehmt auch ihr die Mühe des Bauern für seinen Ochsen? Habt auch ihr die Sorge des Hirten für seine Schafe? Ist eure Weisheit Kenntnis eures Geschlechts und eure Güte Güte erleuchteter Hirten des Volkes? Was der Mensch ist, was er bedarf, was ihn erhebt und was ihn erniedrigt, was ihn stärkt und ihn entkräftet, das zu wissen ist Bedürfnis der Hirten der Völker und Bedürfnis des Menschen in den niedersten Hütten.
Allenthalben empfindet die Menschheit dieses Bedürfnis, allenthalben strebt sie mit Mühe und Arbeit und Drang empor. Darum welken ihre Geschlechter unbefriedigt dahin und ruft das Ende der Tage der mehreren Menschheit [am Todestag der meisten Menschen] laut, daß die Vollendung ihrer Laufbahn sie nicht gesättigt habe. Ihr Ende ist nicht Reifung vollkommener Früchte der Jahreszeit, die nach vollendeter Bestimmung sie zur Ruhe des Winters hinabsinken läßt.
Warum forscht der Mensch Wahrheit ohne Ordnung und Endzweck? Warum forscht er nicht nach den Bedürfnissen seiner Natur, daß er darauf baue den Genuß und den Segen seines Lebens? Warum sucht er nicht Wahrheit, die Ruhe und Lebensgenuß ist, Wahrheit, die ihn in seinem Innersten befriedigt, die seine Kräfte entwickelt, seine Tage erheitert, und seine Jahre beseligt?
Der Mensch, von seinen Bedürfnissen angetrieben, findet die Bahn zu dieser Wahrheit im Innersten seiner Natur. Der befriedigte Säugling lernt, was ihm seine Mutter ist auf dieser Bahn, und sie bildet in ihm Liebe, das Wesen des Dankes, ehe der Unmündige kann den Schall von Pflicht und von Dank hören lassen, und der Sohn, der seines Vaters Brot ißt und sich mit ihm an seinem Herde wärmt, findet den Segen seines Wesens in den Pflichten des Kindes auf dieser Bahn der Natur.
Mensch, forschst du in dieser Ordnung der Natur nach Wahrheit, so findest du sie, wie du sie brauchst, für deinen Standpunkt und für deine Laufbahn. So wie sie dir Bedürfnis deiner Ruhe und deines Friedens ist, Mensch! so wie sie dir in deinen nächsten Angelegenheiten sicherer Leitstern, so wie sie Stütze ist, auf der dein Leben ruht, so ist sie dir Segen.
Du kannst auf dieser Laufbahn nicht alle Wahrheit brauchen. Der Kreis des Wissens, durch den der Mensch in seiner Lage gesegnet wird, ist eng, und dieser Kreis fängt nahe um ihn her, um sein Wesen, um seine nächsten Verhältnisse an, dehnt sich von da aus und muß bei jeder Ausdehnung sich nach diesem Mittelpunkt aller Segenskraft der Wahrheit richten. Reiner Wahrheitssinn bildet sich in engen Kreisen, und reine Menschenweisheit ruht auf dem festen Grund der Kenntnis seiner nächsten Verhältnisse und der ausgebildeten Behandlungsfähigkeit seiner nächsten Angelegenheiten.
Diese Menschenweisheit, die sich durch die Bedürfnisse unserer Lage enthüllt, stärkt und bildet unsere Wirkungskraft, und die Geistesrichtung, die sie hervorbringt, ist einfach und fest hinsehend, sie ist von der ganzen Kraft der in ihren Realverbindungen feststehenden Naturlagen der Gegenstände gebildet und daher zu jeder Seite der Wahrheit lenksam. Kraft und Gefühl und sichere Anwendung ist ihr Ausdruck.
Erhabene Bahn der Natur, die Wahrheit, zu der du führst, ist Kraft und Tat, Quelle der Bildung, Füllung und Stimmung des ganzen Wesens der Menschheit [des menschlichen Wesens]. Zwar du bildest den Menschen nicht im schnellen schimmernden Wuchs, und dein Sohn, O Natur, ist beschränkt, seine Rede ist Ausdruck und Folge vollendeter Sacherkenntnis. Aber wenn die Menschen dem Gang deiner Ordnung voreilen, so zerstören sie in sich selbst ihre innere Kraft und lösen die Ruhe und das Gleichgewicht ihres Wesens in ihrem Innersten auf. Sie tun dieses, wenn sie eher, als sie durch Realkenntnis wirklicher Gegenstände ihren Geist zur Wahrheit und Weisheit lenksam gebildet haben, sich in das tausendfache Gewirre von Wortlehren und Meinungen hineinwagen und Schall und Rede und Wort anstatt Wahrheit aus Realgegenständen zur Grundlage ihrer Geistesrichtung und zur ersten Bildung ihrer Kräfte machen.
Diese künstliche Bahn der Schule, die allenthalben die Ordnung der Worte der freien wartenden, langsamen Natur vordrängt, bildet den Menschen zu künstlichem Schimmer, der den Mangel innerer Naturkraft bedeckt und Zeiten wie unser Jahrhundert befriedigt. Standpunkt des Lebens, Individualbestimmung des Menschen, du bist das Buch der Natur, in dir liegt die Kraft und die Ordnung dieser weisen Führerin, und jede Schulbildung, die nicht auf diese Grundlage der Menschenbildung gebaut ist, führt irre.
Mensch! - Vater deiner Kinder, dränge die Kraft ihres Geistes nicht in ferne Weiten, ehe er durch nahe Übung Stärke erlangt habt, und fürchte dich nicht [in der Kritischen Werkausgabe fehlt versehentlich "nicht", wodurch der Satz in sein Gegenteil verkehrt wird] vor Härte und Anstrengung. Die Kraft der Natur, obwohl sie unwiderstehlich hinführt zur Wahrheit, hat keine Steifigkeit in ihrer Führung; der Schall der Nachtigall tönt im finsteren Dunkel, und alle Gegenstände der Natur wallen in erquickender Freiheit, nirgends ist ein Schatten einer zudringlichen Ordnungsfolge. Wäre erzwungene und steife Ordnungsfolge in der Lehrart der Natur, auch sie würde Einseitigkeit bilden und ihre Wahrheit würde nicht in der Fülle des ganzen Wesens der Menschheit sanft und frei hineinfallen.
Der widrige erschöpfende Drang für den bloßen Schatten der Wahrheit, der Drang für Ton und Schall und Worte von Wahrheit, wo ganz kein Interesse reizt, keine Anwendung möglich ist, Hinlenkung aller Kraft des wachsenden Menschen für die Meinung harter einsichtiger [einseitiger] Schullehrer und die tausendfachen Künsteleien des Wortverkehrs und der Modelehrart, die zur Grundlage der Menschenbildung gelegt wird, ist mühselige Abführung von der Bahn der Natur. Ihr harter Gang bildet im Menschen die Wahrheit nicht zur sanften Dienerin der Menschheit, nicht zur fühlenden guten Mutter, deren Freude und Weisheit die Freude und Bedürfnis ihrer Kinder ist. Der Mensch verliert das Gleichgewicht seiner Stärke, die Kraft der Weisheit, wenn sein Geist für einen Gegenstand zu einseitig und gewaltsam hingelenkt ist. Darum ist die Lehrart der Natur nicht gewaltsam. Aber dennoch ist in ihrer Bildung Festheit, und in ihrer Ordnung ist haushälterische Genauheit.
Das zerstreute Gewirr des Vielwissens ist ebensowenig die Bahn der Natur. Der Mensch, der mit leichtem Flug jedes Wissen umflattert und nicht durch stille feste Anwendung seine Erkenntnis stärkt, auch dieser verliert die Bahn der Natur, den festen, heiteren, aufmerksamen Blick, das ruhige stille, wahrer Freuden empfängliche Wahrheitsgefühl. Schwankend wird der Gang der Männer, die im Wirrwarr ihres Vielwissens zwar viel Rednerei finden, ihr aber den stillen Sinn reiner Menschenweisheit aufopfern. Beim Lärmgeräusch ihres Stolzes wirst du nahe um sie in den Verhältnissen, in denen die Kraft des gesegneten Weisen hell strahlt, leere Öden und Dunkelheit finden. Bildung der Menschen zur Wahrheit, du bist Bildung ihres Wesens und ihrer Natur zu beruhigender Weisheit.
Wo bist du, Kraft der Natur, reine Bildung der Menschheit, auch die träge, leere Öden der finsteren Unwissenheit führen von deiner Bahn ab. Mangelnde Kenntnisse deiner Natur - Mensch - schränken dein Wissen enger ein als die Bedürfnisse deines Wesens. Verdrehung der ersten Grundbegriffe deiner Erziehung [im Originaldruck von 1780 steht "Beziehung", ein Drucklfehler] und tötende erdrückende Gewalt der Tyrannei, Vorenthaltung aller Wahrheits- und Segensgenießungen, unnatürlicher Mangel allgemeiner Nationalerleuchtung in den ersten wesentlichen Bedürfnissen und Verhältnissen der Menschheit, wie dein schwerer Schatten den Erdenkreis verdunkelt.
Deshalb ist ausgebildete Kraft der Menschheit, diese Quelle ihrer starken Taten und ihrer ruhigen Genießungen, kein eingebildeter Drang und kein täuschender Irrtum. Befriedigung unseres Wesens in seinem Innersten, reine Kraft unserer Natur, du Segen unseres Daseins, du bist kein Traum. Dich zu suchen und nach dir zu forschen, ist Ziel und Bestimmung der Menschheit, und auch mein Bedürfnis bist du und Drang meines Innersten, dich zu suchen: Ziel und Bestimmung der Menschheit.
Auf welchem Weg, auf welcher Bahn werde ich dich finden, Wahrheit, die mein Heil ist und mich zu Vervollkommnung meiner Natur emporhebt? Im Innern meiner Natur ist Aufschluß zu dieser Wahrheit. Alle Menschheit ist in ihrem Wesen sich gleich und hat zu ihrer Befriedigung nur eine Bahn. Darum wird die Wahrheit, die rein aus dem Innersten unseres Wesens geschöpft ist, allgemeine Menschenwahrheit sein, sie wird Vereinigungswahrheit zwischen den Streitenden, die zu Tausenden ob ihrer Hülle sich zanken, werden.
Alle reinen Segenskräfte der Menschheit sind nicht Gaben der Kunst und des Zufalls, im Innern der Natur aller Menschen liegen sie mit ihren Grundanlagen. Ihre Ausbildung ist allgemeines Bedürfnis der Menschheit. Darum muß die Bahn der Natur, die sie enthüllt, offen und leicht und die Menschenbildung zu wahrer beruhigender Weisheit einfach und allgemein anwendbar sein.
Die Natur enthüllt alle Kräfte der Menschheit durch Übung, und ihr Wachstum gründet sich auf Gebrauch. Ordnung der Natur in der Bildung der Menschheit ist die Kraft der Anwendung und Ausübung seiner Erkenntnisse, seiner Gaben und seiner Anlagen. Daher ist der Mann der Einfalt und der Unschuld, indem er mit reiner folgsamer Anwendung seiner Erkenntnisse und mit stillem Fleiße jede seiner Kräfte und Anlagen übt und braucht, zur wahren Menschenweisheit von der Natur gebildet, wo hingegen der Mann, der diese Ordnung der Natur in seinem Innersten zerrüttet und den reinen Sinn der Folgsamkeit seiner Erkenntnisse schwächt, für den Genuß des Segens der Wahrheit unfähig wird.
Die Ausübung von Taten gegen das innere Gefühl des Rechtes untergräbt die Kraft unserer Wahrheitserkenntnis, sie verwirrt den reinen Sinn der edlen, hohen Einfalt unserer Grundbegriffe und unserer Grundempfindungen. Daher beruht alle Menschenweisheit auf der Kraft eines guten, der Wahrheit folgsamen Herzens und aller Menschensegen auf diesem Sinn der Einfalt und Unschuld.
Bildung der Menschheit zu diesem reinen Sinn der Einfalt und der Unschuld, du bist Vatersorge der Menschheit, daß die unverdorbenen Grundanlagen [in der gedruckten Erstfassung heißt es fälschlicherweise "Grundlagen"] des Herzens den Gang seiner Geistesentwicklung schützen und richtig leiten. Allgemeine Emporbildung dieser inneren Kräfte der Menschennatur zu reiner Menschenweisheit ist allgemeiner Zweck der Bildung auch der niedersten Menschen.
Übung, Anwendung und Gebrauch seiner Kraft und seiner Weisheit in den besonderen Lagen und Umständen der Menschheit ist Berufs- und Standesbildung. Diese muß immer dem allgemeinen Zweck der Menschenbildung untergeordnet sein. Auf Einfalt und auf Unschuld gegründete Weisheit und Kraft ist in jeder Lage und jeder Tiefe der Menschheit segnender Teil, so wie sie in jeder Höhe ihr unumgängliches Bedürfnis ist. Wer nicht Mensch ist, in seinen inneren Kräften ausgebildeter Mensch ist, dem fehlt die Grundlage zur Bildung seiner näheren Bestimmung und seiner besonderen Lage, die keine äußere Höhe entschuldigt.
Zwischen dem Vater und dem Fürsten, zwischen dem mit schweren Nahrungssorgen beladenen Dürftigen und dem unter noch schwereren Sorgen seufzenden Reichen, zwischen dem unwissenden Weib und dem berüchtigten Vielwisser, zwischen dem trägen Schlummerer und dem Genie, dessen Adlerkraft in alle Welt wirkt, sind Klüfte. Aber wenn dem einen in seiner Höhe reine Menschlichkeit mangelt, so werden finstere Wolken ihn da umhüllen, indem in niederen Hütten gebildete Menschlichkeit reine, erhabene und befriedigte Menschengröße von sich strahlt.
So lechzt in seiner Höhe ein Fürst nach weisen und gerechten Gesetzen für seine Gefangenen, aber vielleicht wirft er den golderfüllten Beutel umsonst zum Preis dar. Heb' er im Kriegsrat, in seinem Jagd- und Rentamte Menschlichkeit und im Innern seines Hauses reinen Vatersinn empor, so wird er Richter und Hüter seiner Gefangenen weise und ernst und väterlich bilden. Ohne dieses ist der Schall erleuchteter Gesetze der Schall von der Liebe des Nächsten im Munde herzloser Menschen. So fern bist du vielleicht, Fürst, von dem Segen der Wahrheit, die du suchst. Indessen handeln Väter im Staub unter deinen Füßen weise mit ungeratenen Söhnen. Fürst, lerne in den Tränen ihrer Nachtwachen und in dem Kummer ihrer Tageslasten Weisheit für deine Gefangenen und gib dein Recht über Leben und Tod Männern, die auf dieser Bahn Weisheit suchen. Fürst, der Segen der Welt ist gebildete Menschlichkeit, und nur durch sie wirkt die Kraft der Erleuchtung und der Weisheit und der innere Segen aller Gesetze.
Mensch, du selbst, das innere Gefühl deines Wesens und deiner Kräfte, ist der erste Vorwurf der bildenden Natur, aber du lebst nicht für dich allein auf Erden. Darum bildet dich die Natur auch für äußere Verhältnisse und durch sie. So wie diese Verhältnisse dir nahe sind, Mensch, sind sie zur Bildung deines Wesens für deine Bestimmung dir wichtig. Immer ist die ausgebildete Kraft einer näheren Beziehung Quelle der Weisheit und Kraft des Menschen für entferntere Beziehungen. Vatersinn bildet Regenten, Brudersinn Bürger; beide erzeugen Ordnung im Hause und im Staate.
Die häuslichen Verhältnisse der Menschheit sind die ersten und vorzüglichsten Verhältnisse der Natur. Der Mensch arbeitet in seinem Beruf, und trägt die Last der bürgerlichen Verfassung, damit er den reinen Segen seines häuslichen Glücks in Ruhe genießen möge. Daher muß die Bildung des Menschen für seine Berufs- und Standeslage dem Endzweck der Genießungen reiner häuslicher Glückseligkeit untergeordnet werden.
Daher bist du, Vaterhaus, Grundlage aller reinen Naturbildung der Menschheit. Vaterhaus, du Schule der Sitten und des Staates. Erst bist du, Kind, Mensch, hernach Lehrling deines Berufs. Kindertugend ist der Segen deiner Lehrlingsjahre und erste Bildung deiner Anlage zum Genuß aller Segnungen deines Lebens. Wer von dieser Ordnung der Natur abgeht, und Standes-, Berufs-, Herrschafts- und Dienstbarkeitsbildung unnatürlich vordrängt, der lenkt die Menschheit ab vom Genuß der natürlichsten Segnungen auf klippenvolle Meere.
Der Mensch muß zu innerer Ruhe gebildet werden, Genügsamkeit mit seiner Lage und mit ihm erreichbaren Genießungen, Duldung, Achtung und Glauben an die Liebe des Vaters bei jeder Hemmung, das ist Bildung zur Menschenweisheit. Ohne innere Ruhe wallt der Mensch auf wilden Wegen, Durst und Drang zu unmöglichen Fernen rauben ihm jeden Genuß des nahen gegenwärtigen Segens und jede Kraft des weisen, geduldigen und lenksamen Geistes. Wenn das Gefühl nicht mehr von innerer Ruhe beseelt ist, so entnervt seine Kraft den Menschen in seinem Innersten und plagt ihn mit finsteren Qualen in Tagen, in denen der heitere Weise lächelt. Der ungenügsame Mann ärgert sich im Kreise seines Haussegens, daß sein Tanz am Galatag, seine Geige im Konzert und seine Thesen im Hörsaale nicht ausgezeichnet wurden. Ruhe und stiller Genuß sind die ersten Zwecke der Menschenbildung und die Schoßkinder seiner Zeit. Mensch! dein Wissen und deine Ehrbegierde müssen diesen höheren Zwecken untergeordnet werden, sonst werden Neugier und Ehrbegierde nagende Qualen und Unsegen.
Seht ihr's, Menschen, fühlt ihr's nicht, Söhne der Erde, wie euere oberen Stände in ihrer Bildung ihre inneren Kräfte verlieren. Siehst du's nicht, Menschheit, wie ihre Abweichung von der weisen Ordnung der Natur leeren und öden Unsegen unter sie und von ihnen hinab ins Volk bringt. Fühlst du's nicht, Erde, wie die Menschengeschlechter von dem reinen Segen ihrer häuslichen Verhältnisse abweichen und allenthalben sich auf wilde schimmernde Schaubühnen hindrängen, um ihr Wissen zu spiegeln und ihren Ehrgeiz zu kitzeln. In ferne Weite wallt die irrende Menschheit.
Gott ist die nächste Beziehung der Menschheit. Auch dein Haus, Mensch, und sein weisester Genuß beruhigt dich nicht immer. Gewalt und Grab und Tod ohne Gott zu leiden, hat deine sanft, gut und fühlend gebildete Natur keine Kräfte. Gott - Vater deines Hauses; Quell deines Segens - Gott, dein Vater: in diesem Glauben findest du Ruhe und Kraft und Weisheit, die keine Gewalt, kein Grab in dir erschüttert. Glauben an Gott: Stimmung des Menschengefühls in dem obersten Verhältnis seiner Natur, vertrauender Kindersinn der Menschheit gegen den Vatersinn der Gottheit.
Glauben an Gott - Quelle der Ruhe des Lebens; Ruhe des Lebens - Quelle innerer Ordnung; inne-re Ordnung - Quelle der unverwirrten Anwendung unserer Kräfte; Ordnung in der Anwendung un-serer Kräfte - Quelle ihres Wachstums und Bildung zur Weisheit; Weisheit - Quelle alles Men-schensegens. Glauben an Gott: Quelle aller Weisheit und allen Segens und Bahn der Natur zur reinen Bildung der Menschheit.
Glauben an Gott, du bist der Menschheit in ihrem Wesen eingegraben wie der Sinn vom Guten und Bösen, wie das unauslöschliche Gefühl von Recht und Unrecht, so unwandelbar fest liegst du als Grundlage der Menschenbildung im Innern unserer Natur. Volksanteil in jeder Tiefe, in jedem Weltstriche, Kraft der Menschheit in jeder Höhe und ihre Stärke in jeder Tiefe. Glauben an Gott, du bist nicht Folge und Resultat gebildeter Weisheit, du bist reiner Sinn der Einfalt, horchendes Ohr der Unschuld auf den Ruf der Natur, daß Gott Vater ist.
Kindersinn und Gehorsam ist nicht Resultat und späte Folge einer vollendeten Erziehung, sie müssen frühe und erste Grundlagen der Menschenbildung sein. Das Staunen des Weisen in den Tiefen der Schöpfung und sein Forschen in den Abgründen des Schöpfers ist nicht Bildung der Menschheit zu diesem Glauben. In den Abgründen der Schöpfung kann sich der Forscher verlieren, und in ihren Wassern kann er irre umhertreiben, fern von der Quelle der unergründlichen Meere. Gottes Vaterdasein in der Hütte der Menschen - Gott im Innersten meines Wesens - Gott, Geber seiner Gaben und meiner Lebensgenießungen, das ist die Bildung der Menschheit zu diesem Glauben, das ist die Kraft der Natur, die allen Glauben auf Genuß und Erfahrung gründet.
Oder rühren dich, Mensch! ich rufe ins Volk - rühren dich, Mensch, die Lehrsätze von überwiegendem Guten? [estalozzi hat hier Leibniz' These von der besten aller möglichen Welten im Auge, in der insgesamt das Gute das Böse überwiegt.] Tröstet oder beruhigt dich das, daß das Glück das Unglück im Ganzen überwiege? Wenn Flammen des Jammers über deinem Scheitel brennen und dich zerstören, tröstet dich dieses Gerede der Weisen?
Aber wenn dein Vater dein Wesen in deinem Innern stärkt, dir deine Tage erheitert, deine Kraft zum Leiden emporhebt und das Übergewicht der Segensgenießungen dir selbst in deinem Innern enthüllt, dann genießest du die Bildung der Natur zum Glauben an Gott.
Das Brot, das mein Kind aus meiner Hand ißt, bildet sein Kindergefühl und nicht sein Staunen über meine Nachtwachen und mein Sorgen für seine späteren Jahre. Viel Urteil über mein Tun ist Unbesonnenheit, die sein Herz verführen und von mir ablenken kann. Einfalt und Unschuld, reines menschliches Gefühl für Dank und Liebe ist Quelle des Glaubens.
Im reinen Kindersinn der Menschheit erhebt sich die Hoffnung des ewigen Lebens, und reiner Glaube der Menschheit an Gott lebt nicht in seiner Kraft ohne diese Hoffnung. Der Fußtritt des Tyrannen über seine Brüder, über die Kinder seines Gottes erschüttert im Innersten die Menschheit; die Reihen seiner Erschlagenen, ihre Witwen und ihre Waisen heulen, zittern, hungern, glauben und sterben. Ist Gott Vater der Menschen, so ist der Tag ihres Todes nicht der Tag der Vollendung ihres Wesens. Ist ein Sinn für Wahrheit in dir, Mensch, rede! Streitet es nicht wider den Sinn deines Innersten, zu glauben, daß Gott Vater der Menschen ist und daß doch also das Wesen dieser Elenden vollendet sei? Gott ist nicht Vater der Menschen, oder der Tod ist nicht die Vollendung unseres Wesens. Mensch, dein innerer Sinn ist dir sicherer Leitstern der Wahrheit und deiner Pflicht, und du zweifelst, da dieser Sinn so mächtig Unsterblichkeit dir zuruft. Glaube an dich selbst, Mensch, glaube an den inneren Sinn deines Wesens, so glaubst du an Gott und an die Unsterblichkeit. Gott ist Vater der Menschheit, Kinder Gottes sind unsterblich.
Im Innersten deiner Natur, Mensch, liegt das, was Wahrheit, Unschuld und Einfalt mit Glauben und Anbetung hört. Aber Einfalt und Unschuld ist nicht das Teil aller Menschen. Vielen ist innerer Sinn der Menschennatur Spiel des Traumes und Glauben an Gott und Unsterblichkeit, auf diesen inneren Sinn gebaut, verachteter Vorwurf ihrer Kunst. Gott, der in meinem Wesen mit Kraft und Stärke, Wahrheit, Weisheit und Seligkeit Glauben und Unsterblichkeit lehrt, Gott, den alle Kinder Gottes hören, Gott, den die ganze sanfte, fühlende, reine, liebende Menschheit versteht und ganz gleich versteht, Gott, sollt' ich nicht Gehör geben der Lehre, die im Innersten meines Wesens mir und meiner Natur wahr ist und wahr sein muß, sollt' ich nicht glauben, was wär' ich, was tät' ich?
Glauben an Gott - Scheidung der Menschheit in die Kinder Gottes und die Kinder der Welt. Glauben an die Vatergüte Gottes, Glauben an die Unsterblichkeit. Gott, Vater der Menschheit, Mensch, Kind der Gottheit: das ist der reine Vorwurf des Glaubens. Dieser Glaube an Gott ist Stimmung der Menschheit in ihren Verhältnissen zu ihrem Segen. Vatersinn und Kindersinn, dieser Segen deines Hauses, Mensch, ist Folge des Glaubens. Der Genuß deiner Rechte, Hausvater, die wonnevolle Ergebung deines Weibes und das innige seelenerhebende Dankgefühl deiner Kinder ist Folge deines Glaubens an Gott. Glauben an meinen Vater, der Gottes Kind ist, ist Bildung meines Glaubens an Gott. Mein Glaube an Gott ist Sicherstellung meines Glaubens an meinen Vater und an jede Pflicht meines Hauses.
So verbindest du, erhabene Natur, in deiner Bildung meine Pflichten und meine Genießungen, und an deiner Hand wallt der Mensch von genossenen Segnungen zu neuen Pflichten.
Alle Menschheit, Fürst und Untertan, Herr und Knecht, bildet sich zu den besonderen Pflichten ihres Standes durch Genuß ihrer ersten Naturverhältnisse. Der Fürst, der Kind seines Gottes ist, ist Kind seines Vaters. Der Fürst, der Kind seines Vaters ist, ist Vater seines Volkes. Der Untertan, der Kind seines Gottes ist, ist Kind seines Vaters. Der Untertan, der Kind seines Vaters ist, ist Kind seines Fürsten.
Stand des Fürsten, Bild der Gottheit, Vater einer Nation. Stand des Untertans, Kind des Fürsten, der mit ihm Kind Gottes ist. Wie sanft und stark und fein ist dieses Gewebe der Naturverhältnisse der Menschheit.
O Menschheit in deiner Hoheit! Aber vergebens ist das Gefühl deiner Würde beim gesunkenen Volke. Vergebens hörst du, daß der alte Grieche seinen Ochsen nicht schlachtete! Ich darf deinen Rang nicht nennen, Hausvater. Ochs am Barren? Herr deines Hauses, Bild des Fürsten in deiner Hütte! O Menschheit in deiner Tiefe! O Herr und Vater aller!
In jeder Tiefe ist der Knecht seinem Beherrscher in seinem Wesen gleich, und ist er die Befriedigung des Bedürfnisses seiner Natur ihm schuldig. Emporzubilden das Volk zum Genuß der Segnungen seines Wesens ist der Obere Vater des Unteren. Und alles Volk ruht im Genuß seines Haussegens in reinem Kinderzutrauen gegen den Vatersinn seiner Herren und wartet auf die Erfüllung ihrer Vaterpflicht in der Auferziehung und Emporbildung ihrer Kinder zu jedem Segensgenuß der Menschheit. Ist dieses Warten der Menschheit ein Traum und ihre kindliche Hoffnung Bild des Schlummers und der Erschlappung in ihrer Tiefe? Glauben Gottes, du bist die Kraft dieser Hoffnung.
Fürsten, die an Gott glauben und den Bruderstand der Menschheit erkennen, finden in diesem Glauben Stimmung zu jeder Pflicht ihres Standes. Sie sind Männer mit Gotteskraft zum Segen ihrer Völker gebildet. Fürsten, die den Vaterstand der Gottheit und den Bruderstand der Menschheit verleugnen, finden in diesem Unglauben Quelle der schrecklichsten Zernichtung des Glaubens an ihre Pflichten. Sie sind Männer des Schreckens, und ihre Kraft wirkt Verheerung. In der Anerkennung der oberen Vaterwürde Gottes versichern die Fürsten sich des Volkes Gehorsam als die Sache der Gottheit. Und der Fürst, der in dem Gehorsam gegen Gott nicht Quelle seiner Rechte und seiner Pflichten suchen will, baut seinen Thron auf den misslichen Sand des Volksglaubens an seine Stärke. Glauben an Gott: Band des Fürsten und seines Volkes, Band der inneren Vereinigung der Segensverhältnisse der Menschheit. Unglauben: Verleugnung des Bruderstands und der Bruderpflichten der Menschheit, Verkennung und Verachtung der Vaterrechte Gottes, trotzende Kühnheit im Missbrauch gegenseitiger Gewalt, Auflösung aller reinen Bande der Segensverhältnisse der Menschheit.
Priester: Verkünder des Vaterstands der Gottheit und des Bruderstands der Menschheit und ihr Stand Mittelpunkt der Vereinigung der Naturverhältnisse der Menschheit zu ihrem Segen durch den Glauben an Gott.
Glauben an Gott: Quelle alles reinen Vater- und Brudersinns der Menschheit, Quelle aller Gerechtigkeit. Gerechtigkeit ohne Vatersinn und ohne Brudersinn ist schimmerndes Unding ohne Segenskraft. Stolze Gerechtigkeit: Aussprüche nach jahrelangen Frevlerkünsten, die Gesetzverständige und Gerichtshöfe nähren, Mummerei von Gerechtigkeit, die nicht Volkssegen ist.
Sicherheit, Unschuld und Gefahrlosigkeit - diese Quellen reiner Volkstugend, diese Folgen einer weisen und väterlichen Gerechtigkeit sind Folgen des Glaubens. Kühner auffahrender Mut gegen Unschuld, Recht und Wahrheit - diese Beweise des Mangels reiner und starker Vaterkraft der Landesgerechtigkeit sind Folgen des Unglaubens.
Gewalttätigkeit und freche kühne Anmaßungssucht gegen Recht und Unschuld im Nationalgeist ist Quelle aller Nationalentkräftung und so ist Unglauben Quelle dieser Entkräftung. Und hingegen ist Vatersinn und Kindersinn im Nationalgeist Quelle alles reinen Nationalsegens. Also ist Volksglauben an die Gottheit Quelle aller reinen Nationaltugend, alles Volkssegens und aller Volkskraft.
Sünde: Quelle und Folge des Unglaubens. Sünde: Handlung der Menschen gegen das innere Zeugnis unserer Natur von Recht und Unrecht. Sünde: Quelle der Verwirrung unserer ersten Grundbegriffe und unseres reinen Naturgefühls. Sünde: Verlust des Glaubens an dich selbst, Mensch, und an deinen inneren Sinn, Verlust deines Glaubens an Gott, Verlust deines Kindersinns gegen ihn. Öffentliche Sünde: Trotz der Menschheit gegen die Gottheit. Abscheu gegen die Sünde: reines Gefühl des Kindersinns der Menschheit gegen Gott, Ausdruck und Folge des Glaubens der Menschheit an die Offenbarung der Gottheit im Innern seiner Natur. Abscheu gegen öffentliche Sünde: Gefühl des Kindes gegen den Mann, der seines Vaters und seiner Mutter spottet. Nationalabscheu des Volkes gegen öffentliche Sünder: Pfand und Siegel des Nationalglaubens und des Kindergefühls eines Volkes gegen seinen obersten Herrn. Nationalabscheu des Volkes gegen den öffentlichen Trotz seiner Fürsten gegen die Gottheit ist Beweis der Nationaltugend, und ihre Schwächung (ist) Schwächung der Kraft des Glaubens, des Gehorsams des Volkes gegen seinen obersten Herrn.
Unglauben: Quelle der Zernichtung aller inneren Bande der Gesellschaft. Unglaube der Oberen: Quelle des Ungehorsams der Unteren. Vaterherz und Vatergaben der Oberen pflanzen und sichern den Gehorsam der Unteren. Der Unglaube zernichtet die Quelle des Gehorsams. Unter einem Herrn, der nicht Vater ist, kann die Volksstimmung nicht Empfindung eines reinen dankenden im Kindergehorsam gesegneten Volkssinns werden. Die Folgen des Unglaubens - täglich steigende Lasten [In der Druckfassung heißt es "Laster". Pestalozzi beklagt hier aber die ungerechtfertigten Steuer- und Abgabenlasten durch die Feudalherren, die nicht aus Vatergüte handeln.], täglich abnehmende Vatergüte, willkürliche Gewalt ohne Segenszweck, bizarre unnatürliche Regierungsfratzen, drückende Zwischengewalt [gemeint ist die Willkür der eingesetzten Beamten und Steuereintreiber], Aussaugen des Marks vom Volk [gemeint ist das Aussaugen und Ausbeuten des aufkommenden Mittelstandes], sich vermindernde Volkskraft gegen diese Zwischengewalt - sind unter einer ungläubigen, die Rechte der Gottheit und der Menschheit verachtenden Regierung unvermeidlich. Die Volksempfindung des unnatürlichen Gebrauchs der Vaterrechte ist Auflösung der Kraft der reinen Bande der Natur zwischen dem Fürsten und seinem Volke. Sie, diese gute mütterliche Menschennatur, knüpft die Bande der bürgerlichen Verhältnisse durch den Segen gegenseitiger Genießungen. Und es ist Volksempfindung, Nationalgefühl des Segens dieser Genießungen, welches diese Verhältnisse durch Dank, Liebe und Glauben des Volkes an seinen Fürsten weiht und heiligt.
Ich berühre Saiten, die ungestimmt liegen und nicht im Modeton klingen. Verhöhne sie, Tänzerton, trillernde Verleumdung, überschrei' ihre Kraft! Wahrheit und reiner Menschensinn macht unbesorgt.
Alle Kraft der Menschheit wirkt nur Segen durch ihren Glauben an die Gottheit, und der Vatersinn des Fürsten, diese einzige Quelle alles Volkssegens, ist Folge seines Glaubens an Gott. Mensch, so nieder du auch stehst, ist dein Fürst Kind deines Gottes, so ist seine Gewalt Vaterkraft. Harter, unbescheidener Gebrauch seiner Rechte ist nicht Vatersinn, ist nicht Sinn des Glaubens an Gott, es ist Verderbung der obersten Angelegenheiten des Fürsten und seines Landes, Verderbung des reinen Kindersinns der Nation gegen den Fürsten.
Demnach darf ich diese so allgemeinen Sitten der einsichtigen [einseitigen] Fürstendienerschaft nicht Hochverrat nennen? Aber was ist's minder, wenn sie das Vaterrecht des Fürsten als ein Recht zu Gutem und Bösem und zu Gerechtem und zu Ungerechtem darstellen? Was ist's minder, wenn sie im Namen des Fürsten den Haussegen stören, das Eigentum nicht schonen und Unschuld mit Schimpf und Schande belegen?
Band der Vereinigung der Menschheit zu ihrem Segen, Glauben des Fürsten und seines Volkes an den oberen Herrn der Menschheit, Glauben Gottes: du bist es allein, der die Menschheit vor dieser Klippe sichert. Aller Unglauben ist unbescheiden, aber der Glaube an Gott, der Kindersinn der Menschheit gegen die Gottheit ist stille Erhabenheit in jeder Kraft ihrer Wirkung. Glänzende, blitzende Erschöpfung ihres Wesens, kühner lachender Mut bei Gefahr und Zerstörung ist die Kraft der Menschheit, die vom Kindersinne gegen Gott abweicht. Ernster haushälterischer Gebrauch jeder kleinen Anlage, Sehnsucht nach Stärkung seiner Kraft ist die Bahn der Natur zur Bildung und Stärkung aller Kräfte, und in jeder Tiefe und in jeder Schwäche ist es Richtung [Ausrichtung] des reinen Kindersinns der Menschheit gegen Gott. Hang zu niederem Schimmer, Drang, Anlagen und Kräfte zu spiegeln [vorzuspiegeln] und seine Schwäche zu bemänteln, ist Richtung auch der niedersten schwächsten Menschheit, die von dieser bildenden Bahn der Natur abgewichen ist. Äußere und innere Menschenhöhe, auf dieser reinen Bahn der Natur geleitet, ist Vaterstand und Vatersinn gegen niedere Kräfte und Anlagen.
Mensch in deiner Höhe, wiege den Gebrauch deiner Kräfte nach diesem Zweck: Vatersinn hoher Kräfte gegen die unentwickelte schwache Herde der Menschheit. O Fürst in deiner Höhe! O Goethe in deiner Kraft! Ist das nicht deine Pflicht? O Goethe, daß deine Bahn nicht ganz Natur ist! Schonung der Schwachheit, Vatersinn, Vaterzweck, Vateropfer im Gebrauch seiner Kraft, das ist reine Höhe der Menschheit. O Goethe in deiner Höhe, ich sehe hinauf von meiner Tiefe, erzittere, schweige und seufze. Deine Kraft ist gleich dem Drang großer Fürsten, die dem Reichsglanz Millionen Volkssegen opfern.
Reiner Segen der Menschheit, du bist Kraft und Folge des Glaubens. O meine Zelle, Wonne um mich [in der Druckfassung heißt es fälschlicherweise "dich"] her! Auch du bist Folge dieses Glaubens. Heil mir und meiner Hütte. Darum, daß die Menschheit an Gott glaubt, ruhe ich in dieser Hütte.
Glauben des Volkes an die Priester der Gottheit: Ruhe meines Lebens. Priester der Gottheit: reiner Vaterstand der Menschheit! Deine Kraft, Geweihter, ist Gottes Erleuchtung! Gottes Erleuchtung ist Liebe, Weisheit und Vatersinn.
Oh, wer nach meiner Hütte wallet, wäre ich euch Schatten der Kraft meiner Gottheit.
O Sonne, du Bild ihrer Kraft, dein Tag ist vollendet! Du gehst unter an meinem Berge. O Tag meiner Vollendung, o Hoffnung des kommenden Morgens, o Kraft meines Glaubens!
Anmerkung [Diese Anmerkung wurde von Iselin dem Text hinzugefügt und gibt einen Auszug aus einem Brief Pestalozzis an Iselin vom 9. Juni 1779 wieder]
Der Verfasser der Abendstunde hat bei Anlaß einer politischen Schrift in einem Brief ähnliche Ideen geäußert, die vielleicht einigen Stellen dieses Aufsatzes Licht geben.
Ich baue, sagt er, mit Ihnen alle Freiheit auf Gerechtigkeit, aber ich sehe in dieser Welt keine versicherte Gerechtigkeit als bei der zur Einfalt, Frömmigkeit und Liebe gestimmten und in dieser Stimmung erleuchteten Menschheit. Alle Familiengerechtigkeit, welche die größte, reinste und allgemein in aller Welt genossene Gerechtigkeit ist, hat im Ganzen nur Liebe zu ihrer Quelle, und dennoch wirkt sie, in der Einfalt aller Völker, allgemeinen Segen der Welt.
So wie alle Gerechtigkeit auf Liebe ruht, so ruht auch Freiheit darauf. Reiner Kindersinn ist die wahre Quelle der Freiheit, die auf Gerechtigkeit ruht, und reiner Vatersinn ist die Quelle aller Regierungskraft, die Gerechtigkeit zu tun und Freiheit zu lieben erhaben genug ist. Und die Quelle der Gerechtigkeit und alles Weltsegens, die Quelle der Liebe und des Brudersinns der Menschheit, diese beruht auf dem großen Gedanken der Religion, daß wir Kinder Gottes sind und daß der Glaube an diese Wahrheit der sichere Grund alles Weltsegens sei. In diesem großen Gedanken der Religion liegt der innere Geist aller wahren Staatsweisheit, die reinen Volkssegen sucht, denn alle innere Kraft der Sittlichkeit, der Erleuchtung und Weltweisheit ruht auf diesem Grund des Glaubens der Menschheit an Gott. Und Gottvergessenheit, Verkenntnis der Kinderverhältnisse der Menschheit gegen die Gottheit, ist die Quelle, die alle Segenskraft der Sitten, der Erleuchtung und der Weisheit in aller Menschheit auflöst. Daher ist dieser verlorene Kindersinn der Menschheit gegen Gott das größte Unglück der Welt, indem es alle Vatererziehung Gottes unmöglich macht, und die Wiederherstellung dieses verlorenen Kindersinns ist Erlösung der verlorenen Gotteskinder auf Erden.
Der Mann Gottes, der mit Leiden und Sterben der Menschheit das allgemein verlorene Gefühl des Kindersinns gegen Gott wieder hergestellt, ist der Erlöser der Welt, er ist der geopferte Priester des Herrn, er ist Mittler zwischen Gott und der gottvergessenen Menschheit, seine Lehre ist reine Gerechtigkeit bildende Volksphilosophie, sie ist Offenbarung Gottes des Vaters an das verlorene Geschlecht seiner Kinder.