War Pestalozzi ein Ausbeuter?
Pestalozzi, die Indienne-Druckerei Laué und die Kinderarbeit
Kapitel 3 - Die Technik des Indienne-Drucks ...
... in den Grundzügen zu kennen, ist wesentlich für das Verständnis der 52 im Briefband 3 abgedruckten Briefe und Begleitzettel aus Pestalozzis Hand, gerichtet an die Firma Laué: Auf den Drucktischen wurden – für jedes Farbmuster separat – massive Models aus (meist) Birnbaumholz auf den Stoff gelegt, wonach starke Männer mit einem eisenbeschwerten Schlägel danach strebten, die Farbe möglichst vollständig und gleichmässig in den Stoff zu schlagen. Dies gelang jedoch sehr oft bloss unvollkommen, weshalb dann nachgepinselt werden musste. Dazu wurden eigens ausgebildete Frauen eingesetzt, die sog. Pinceauteuses (auch: Pinceleuses). Wie wichtig dieser Beruf war, zeigt eine Zusammenstellung der Belegschaft der Firma Oberkampf in Jouy en Josas bei Versailles, wo von insgesamt 1293 Arbeitern nicht weniger als 570, d. h. 44 % Pinceauteuses waren. Bis in die neunziger Jahre des 18. Jahrhunderts hinein war es auch unmöglich, grüne Farbe waschecht zu drucken. Man druckte daher in Blau (Indigo) und liess die Pinceauteuses gelbe Farbe an die gewünschten Stellen hineinmalen. Das führte dann dazu, dass durch das Waschen die ehemals grünen Teile eines Pflanzenmusters allmählich wieder blau wurden. Aber auch der Blaudruck selbst war lange Zeit keine Selbstverständlichkeit. Das erfahren wir aus einem Bericht des Grafen Karl von Zinzendorf und Pottendorf, mit dem Pestalozzi ab 1783 in Briefwechsel stand und der 1764 die Schweiz bereiste. Darin lesen wir vom Berner Indienne-Betrieb der Frau Küpfer, dass in drei verschiedenen Räumen entweder rot, gelb oder blau gedruckt wurde und dass sie in den letztgenannten Raum keinen Kaufmann liess "und zwar aus folgendem Grunde: weil sie gleichwie ihr Schwiegervater zu Lorach das Geheimniss hat, auf den vielfärbigen Stücken die blaue Farbe, nicht wie zu Neufchatel, zu malen, sondern zu drucken". Und hinsichtlich Küpfer in Lörrach schreibt er: "In dem Blauen soll er ein Geheimniss besitzen, das kein anderer in der Schweiz hat" (Jean-Richard, 46, 48). Bei komplizierteren Mustern war also das Hineinmalen ("Illuminieren") durch die Pinceauteuses zumeist von vorneherein vorgesehen. Es scheint denn auch wahrscheinlich, dass auch Laué, der im Hause De Luze in Neuenburg ausgebildet wurde und mit ihm in engem Kontakt blieb, im Jahre 1784 die Technik des Blaudrucks noch nicht beherrschte, lesen wir doch in einem der Briefe Pestalozzis an ihn, dass "doch die meisten Kinder in Blau schaffen müssen" (PSB 3, 204). Und dass er auch grüne Farbe nicht druckte, sondern malen liess, lässt sich schliessen aus dem Schreiben vom 31. August 1785: "Von inligend Muster bitten wir Nachricht, ob es blau oder grün müsse gemahlt syn" (PSB 3, 221).
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Dr. Arthur Brühlmeier
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