Pestalozzi und Möser

Ricarda Huch

In: Untergang des Römischen Reiches Deutscher Nation, Manesse Bibliothek der Weltgeschichte, Bd. 3, Zürich 1988, S. 399 - 414
SW: Möser, Justus (1720 - 1794)

Huch beschreibt in ihrem Artikel Pestalozzi und Möser, einen Staatsmann aus Osnabrück und Zeitgenossen von Pestalozzi. Bei Pestalozzi hebt sie darauf ab, daß er das Individuum hochgehalten habe. Bei Möser betont sie, daß er sehr ähnliche Vorstellungen wie Pestalozzi hatte. Goethe sagt in Bezug auf den Vorsteher einer Klosterschule: "Die Welt bedarf solcher Licht- und Wärmequellen, um nicht im egoistischen Irrsal zu erfrieren und zu erstarren." (S. 309). Diese Worte passen auch auf Pestalozzi. Er sah die Gefahren eines künftigen Zeitalters heranwachsen und erkannte die Schwierigkeiten der Menschen, damit fertigzuwerden. Er kümmerte sich um die Armen. Er "lernte die Schäden der Zeit kennen, und suchte ... Heilmittel für sie zu ergründen..." (S. 400). Er kritisierte das "Geschwätz". "Schon jetzt sah Pestalozzi Besitzende und Arme, voneinander getrennt, fast wie zwei feindliche Nationen, sich gegenüberstehen." (S. 401). "Es war Pestalozzis letzte, tiefe Einsicht, daß das Göttliche sich im Individuum offenbart,..." (S. 401). "Das Wertvollste im Menschen ... ist aber immer etwas Individuelles." (S. 402). Pestalozzi kritisierte den Staat, "weil er das Individuum mißachte." (S. 402). Das Heilmittel gegen die Armut und Verwahrlosung sah Pestalozzi in der Familie. Die "unersetzliche Lehrerin zur Menschlichkeit" (S. 404) sei die Mutter. Er setzte sich für die Veredlung des Erwerbslebens ein und hielt die Fabriken nicht immer für verderblich. An der Veredlung des Staates hatte er aber Zweifel. (Es müsse eine Mäßigung der kollektiven Ansprüche eintreten. Das könne aber nur gelingen, wenn die Regierenden selbst menschlich seien.) "Zu Pestalozzis Zeit ... lebte in Osnabrück ein Staatsmann und Denker, dessen Absichten in wesentlichen Fragen mit denen Pestalozzis zusammenstimmten." (S. 407). Es war Justus Möser, der fast vollständig die Regierung des halbgeistlichen Fürstentums Osnabrück innehatte. (Er führte die Geschäfte des Fiskus und war Syndikus der Ritterschaft.) Genauso wie Pestalozzi hielt er die Individualität gegenüber der Masse hoch. "Im Individuum sieht er den Träger der sittlichen Kraft und darum den Träger des Staatswesens..." (S. 408). Unter anderem war er gegen die Arbeitsteilung. Er befürchtete eine lebenslange Unselbständigkeit der Arbeiter und sah die Selbstverwaltung in England als Vorbild. Wie Pestalozzi "erkannte er die Wichtigkeit der Familie" und befürwortete "die Wiederherstellung der Korporationen." (S. 411). Möser wünschte, "daß die einzelnen sich vereinigten, um so viel wie möglich sich selbst zu helfen und ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen." (S. 411). Er wollte die bürgerlichen Rechte nur auf das Eigentum gegründet wissen. "Er hat viele Vorschläge gemacht, um der Verarmung vorzubeugen und um die Armen zu versorgen; nur die staatsbürgerlichen Rechte sollten sie nicht ausüben können. Beide, Pestalozzi und Möser, zogen bei ihren Untersuchungen und Forderungen die Großstadt, die damals in Deutschland erst zu entstehen im Begriff war, kaum in Betracht." (S. 414).

Der Artikel enthält keine Anmerkungen. Am Beginn des Artikels befindet sich ein Bild von Pestalozzi.

(FR)