"Pestalozzi in Stanz", ein Bild und seine Aussagen
Emanuel Dejung
In: Pädagogische Rundschau, 34. Jg., 1980, H.2/3, S. 175 -188
Dejung zeigt hier, daß eine Lithographie, welche Pestalozzis Wirken in Stans in den Jahren 1798-1799 illustriert, eine wichtige Quelle für die Wirkungsgeschichte des Schweizer Pädagogen in Deutschland ist. Dejung beschreibt zuerst das Bild und stellt dar, daß die Abbildung nicht als authentisch bezeichnet werden kann. Die künstlerische Form des Bildes dürfte später ohne Ortsanschauung geschaffen worden sein(vgl. S. 175). Er zeigt, daß der geschichtliche Wert der Reproduktion im umrahmenden Text liegt. Über dem Bild steht die Überschrift: "Die Gönner. Friedrich Wilhelm III., Alexander I., Süvern, v. Altenstein, Fichte, Nicolovius." Alle genannten sind norddeutsch-preußische Persönlichkeiten, abgesehen vom russischen Zaren Alexander I. Auf beiden Seiten des Bildes stehen Listen von 102 Namen, mit den Überschriften: Die Jünger, Schüler und Freunde. Mit den "Jüngern" sind die Lehrer und die erwachsenen Eleven gemeint. Dejung beschreibt den Firmenvermerk, den zusätzlichen Text und merkt an, daß das Datum fehlt. Aus dem beigefügten Text geht hervor, daß die Lithographie erst 1846 geschaffen wurde. Aus den Angaben erkennt man, wie viel man von Pestalozzi um 1846 in Norddeutschland gewußt hat. Dejung zitiert den Text, der einen kurzen Lebenslauf Pestalozzis mit einigen Fehlern enthält. Der Text ist von Adolph Diesterweg verfaßt, unterschrieben mit A. D. Danach präsentiert Dejung die Liste von 102 Namen der auf dem Bild erwähnten Persönlichkeiten, die er alphabetisch geordnet hat. Außerdem hat er Vornamen, Berufe und Lebensdaten beigefügt. Die Liste läßt deutlich erkennen, „welche Persönlichkeiten im Bann Pestalozzis etwa zwanzig Jahre nach seinem Tod in Berlin vor allem bekannt waren." (Unter den Personen befanden sich haupsächlich Personen aus dem deutschen Sprachgebiet, darunter 23 Schweizer. Nichtdeutscher Herkunft sind 8 Personen, 4 Russen und 4 aus dem französischen Sprachgebiet.) Fast ein Viertel der Personen konnten, weil meist nach der Lebenszeit Pestalozzis tätig, beim Bibliographen A. Israel und in der kritischen Gesamtausgabe nicht nachgewiesen werden. „Das Übergewicht der deutschen Namen, die berufliche Stellung als Seminarlehrer, Seminardirektoren, Professoren deuten auf meist norddeutsche Kollegen von A. Diesterweg hin."? (S.182). Diesterweg habe vielleicht schon während des Studiums in Tübingen, spätestens aber in Berlin Pestalozzi kennengelernt. Dejung nennt Pädagogen, die in Berlin für Pestalozzi warben. Viele „haben durch ... Publizistik ein Klima geistiger Art geschaffen, das Diesterweg unterstützt und gefördert hat."(S. 182). Diesterweg setzte sich für eine liberale Schulpolitik ein. Dejung berichtet, wie Diesterweg auf der Feier des 100. Geburtstags von Pestalozzi dessen Bildungsprinzip darstellte und danach eine Gedenkschrift für ihn verfaßte. Auch das Bild „Pestalozzi in Stanz" fand wohl im Geburtstagsfest 1846 seinen Ursprung. Dejung verfolgt dann die Wirkungsgeschichte Pestalozzis in Deutschland weiter. Es zeige sich ein grundlegender Unterschied zur Schweiz: Während die deutschen Pädagogen bleibendes Interesse für Pestalozzi zeigten und J. Niederers Widerstand nur als Lehrerstreit (gegen Joseph Schmid) auffaßten, herrschten in der Schweiz „Trauer über Pestalozzis Alterstragödie". „Die Schulgeschichte Deutschlands zeigte ... schon in einer ersten Stufe Differenzen."(S. 183). Dejung erwähnt Dr. Wilhelm Harnisch, der in einem Bericht auf die Entstehung der preußisch-pestalozzischen Schule einging und der Ansicht war, „daß eine falsche, unklare, überspannte Theorie (in Niederer) mit einer gewaltigen, aber ungemessenen Praxis (in Joseph Schmid) in Kampf geriet" (S. 184). Harnisch berichtete, daß er zusammen mit Friesen und Jahn eine neue pestalozzische Schule bildete. Karl Justus Blochmann schrieb, daß die Eleven nach ihrer Rückkehr „durch Vereinfachung, neue Bearbeitung und vielseitige Verbesserung der elementaren Bildungsmittel sich große und bleibende Verdienste erwarben" . Fast alle preußischen Seminare wurden von Pestalozzis Ideen beeinflußt. „Das Bild von 1846 zeigt mit seiner Personenliste eindrücklich, welche Pädagogen damals, vor allem in Diesterwegs Kenntnis, als Anhänger Pestalozzis bekannt waren." (S. 184).
(FR)