Der lebendige Pestalozzi. Drei sozialpädagogische Besinnungen.

Theodor Litt

Heidelberg: Quelle & Meyer, 1952, 79 S.

Nach einer ausführlichen Einführung in den Protestantismus und die geschichtliche Welt geht Theodor Litt im Hauptteil des Buches auf Pestalozzis Anthropologie über.

Vorab schildert Litt Pestalozzi nicht nur als Theoretiker und Praktiker der Erziehung, als solcher er der Mit- und Nachwelt bekannt sei. Er hebt vor allem seine Erziehungslehre als eine umfassende "Philosophie des Menschen" - eine Philosophie, die nicht nur theoretisch erdacht, sondern durch die Leiden und Erhebungen Pestalozzis entstanden sei, hervor. Litt geht darauf ein, daß diese Philosophie nicht nur in seinen Schriften und Entwürfen gegenwärtig, sondern in einem ausführlichen Werk niedergelegt sei, das Pestalozzi unter großer Mühsal in dreijähriger Gedankenarbeit zu Papier gebracht habe: "Meine Nachforschungen über den Gang der Natur in der Entwicklung des Menschengeschlechts". Litt beschäftigt sich mit Pestalozzis idealistischen Gedankengängen, die seiner Meinung nach das Ziel haben, dem Negativen seinen Anteil am Sinngehalt des weltgeschichtlichen Prozesses zu sichern. Nachfolgend beschreibt Litt die drei "Zustände", welche Pestalozzi im menschlichen Dasein unterscheidet: der "natürliche", der "gesellschaftliche" und der "sittliche" Zustand.

Im Abschnitt "Die Geschichte und die Namenlosen" erläutert Litt Pestalozzis Bedürfnis nach dem Los derjenigen Menschen zu fragen, die Pestalozzi durch den Satz kennzeichnet, "keinen Teil an der Welt haben". Dabei bewege Pestalozzi gerade die Frage, wie sich ihre Existenz unter den Einwirkungen gestalte, die von der großen Welt des geschichtlichen Handelns her auf sie ausstrahle. Litt schildert, welche geschichtlichen Entwicklungsreihen bei Pestalozzi hierfür eine Rolle spielen. Es seien die "Lebensordnungen", die für die Menschen die gemeinsame Grundlage bildeten und für ihr Tagewerk den umfassenden Rahmen abgäben. Pestalozzi bezeichne sie mit dem Namen: "der gesellschaftliche Zustand". Er meine mit diesem Begriff das Gefüge von Wirtschaft, Gesellschaft und Staat. In der Gesamtheit dieser Phänomene finde Pestalozzi das Wesen geschichtlichen Menschentums am greifbarsten ausgeprägt. An dieser Stelle untersucht Litt ausführlich die Lehren, die Pestalozzi dem Studium dieser Phänomene entnimmt.

Im letzen Abschnitt greift Litt auf das Ausgangsproblem, "Pestalozzi und die protestantische Anthropologie". Nach seinen Untersuchungen und Überlegungen in diesem Buch wagt Litt zu sagen, daß Pestalozzis Anthropologie in jenen Zügen, in denen sie sich von der Menschenauffassung des Idealismus scheidet, der Ausdruck christlichen, speziell protestantischen Weltverständnisses ist. Litt sagt an diese Stelle: "Wenn wir nach der philosophischen Fassung dieses Weltverständnisses suchen, dann haben wir uns nicht an die großen idealistischen Systembaumeister, sondern an diesen Außenseiter der philosophischen Bewegung zu wenden". (S. 49-50)

Anmerkungen und Literaturnachweise werden von Litt nicht aufgeführt. Das Inhaltsverzeichnis gibt Aufschluß über die Gliederung des Werkes.

Biographische Angaben zum Autor:

Theodor Litt (1880-1962) Philosoph und Pädagoge studierte in Bonn und Berlin. Er war bis 1918 Gymnasiallehrer und wurde 1919 Prof. an der Universität Bonn. 1920 Prof. der Philosophie und Pädagogik in Leipzig. 1937 Aufgabe seines Amtes aus konservativ-oppositioneller Haltung gegen den Nationalsozialismus. 1945 Wiederaufnahme seines Lehrstuhls und Wechsel an die Universität Bonn (1945). Litt veröffentlichte wissenschaftstheoretische und methodenkritische, sowie kulturphilosophische und philosophisch-anthropologische Arbeiten.

(AR)