12. Generalversammlung des „Vereins Pestalozzi im Internet“ und Enthüllung der Pestalozzi-Büste von J.M. Christen
Buchvernissage Arthur Brühlmeier: „Gesucht und entdeckt: Die Walhalla-Büste Heinrich Pestalozzis“
Am 14. Mai 2014 fand die 12. Generalversammlung des „Vereins Pestalozzi im Internet“ im Festsaal des Berufsbildungsheims Neuhof in Birr/Schweiz statt. Es ist Tradition, dass diese Generalversammlungen auf Pestalozzis Neuhof stattfinden, wo Pestalozzi von 1770-1799 und nochmals von 1825-1827 lebte. Auf diesem Gelände gründete Pestalozzi erste Heimerziehungsanstalten für arme Kinder und schrieb zahlreiche seiner Werke, u.a.: Abendstunde eines Einsiedlers (1780), Lienhard und Gertrud (1781), Über Gesetzgebung und Kindermord (1783), Nachforschungen über den Gang der Natur in der Entwicklung des Menschengeschlechts (1797), Figuren zu meinem ABC-Buch oder zu den Anfangsgründen meines Denkens (Fabeln, 1797), die beiden Zehntenschriften (1798/99), Pestalozzi’s Schwanengesang (1826) und die Langenthaler Rede (1826). Zwar starb Pestalozzi im nahen Brugg, aber am Schulhaus in Birr wurde er begraben und dort 1846 vom Kanton Aargau das noch heute bestehende Grabdenkmal errichtet. In Pestalozzis Wohnhaus, dem „Pächterhaus“, ist heute die Verwaltung des Berufsbildungsheims Neuhof und im „Herrenhaus“, 1828 von Pestalozzis Enkel Gottlieb fertiggestellt, der Schulungsbereich untergebracht.
Gegenstand der Generalversammlung waren die vereinsüblichen Regularien, Genehmigung der Protokolle, Berichte über die zwischenzeitliche Vorstandssitzung, die Weiterführung der Arbeit an der Website www.heinrich-pestalozzi.de, die finanzielle Situation des Vereins und die Wahlen des Vorstands und der Rechnungsprüfer. Der Vorstand des Vereins besteht aus 5 Personen: Dr. Kurt Werder (Präsident), Dr. Arthur Brühlmeier (Vizepräsident), Prof. Dr. Gerhard Kuhlemann (verantwortlich für die Website), Anita Pestalozzi (Kassiererin) und anstelle des ausscheidenden Rudolf Lüscher wurde Prof. Dr. Markus Roos (Schriftführer) in den Vorstand gewählt. Ein gemeinsames von den Kochlehrlingen des Berufsbildungsheims Neuhof zubereitetes Abendessen beschloss die Generalversammlung.
Im Bericht über die Arbeit des zurückliegenden Jahres konnte Gerhard Kuhlemann zuerst über die Nutzung der Website www.heinrich.pestalozzi.de berichten: Im März 2014 (Jahresangaben in Klammern) hatten wir 13.000 (128.000) Seitenaufrufe von 3.600 (38.000) Besuchern, die im Durchschnitt über 3 Minuten auf der jeweiligen Webseite blieben. Fast alle Besucher kamen über die Suchmaschine Google und wie in den vergangenen Jahren kamen die weitaus meisten Besucher aus Deutschland, im März 2.000 (21.000), deutlich weniger aus der Schweiz, im März 600 (4.900), gefolgt von Italien, Mexiko, Österreich. USA und Spanien. Besonders hervorgehoben wurde in dem Bericht, dass Pestalozzis Stanser Brief nun in voller Länge in japanischer Sprache in unsere Website eingebaut werden konnte.
Zusammen mit Prof. Dr. Zhengxiang Gu und Roger Dettling konnte der aktuell erschienene deutsch-chinesische Tagungsband des Pestalozzi-Symposiums Schweiz-China in Luzern „Erziehung mit Herz, überall und jederzeit zum Wohl der Kinder“ vorgestellt werden. Auf S. 168-263 sind darin die deutschsprachigen Tagungsbeiträge enthalten: Es sind u.a. die Beiträge von Zhengxiang Gu u. Roger Dettling „Pestalozzi in China, Deutschland und der Schweiz“, von Jun Ye „Pestalozzi oder Goethe, Schiller, Herbart, Paulsen? Ein Vergleich der Rezeption von Quellen deutscher Geistesgeschichte durch Wang Guowei, Cai Yuanpei und andere Vertreter der ersten Generation von Intellektuellen im modernen China und die Entstehung eines neuen Bildungsideals“, von Zhiying Yuan „Vergleich der Bildungskonzepte und -praxis von Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827) und Tao Xingzhi (1891-1946)“, von Michael Fuchs „Kindgemässheit: Was verstand Pestalozzi darunter?“, von Markus Roos „Pädagogische Werte bei Pestalozzi und die Schülerbeurteilung – unvereinbare Gegensätze?“ und von Gerhard Kuhlemamm ein kurzer Abriss „Zur Pestalozzi-Rezeption im deutschen Sprachraum“. Dies ist bereits der dritte Band unseres deutsch-schweizerisch-chinesischen Austauschs zum Thema „Pestalozzi“.
Der Generalversammlung vorgeschaltet war die feierliche Enthüllung der Pestalozzi-Büste von Joseph Maria Christen durch den Leiter des Berufsbildungsheims Neuhof, Herrn Jörg Scheibler, die als Leihgabe des Kunsthauses Aarau auf dem Neuhof verbleiben wird.
Verbunden mit dieser Enthüllung war die Buchvernissage des Buchs „Gesucht und entdeckt: Die Walhalla-Büste Heinrich Pestalozzis“, wobei der Autor Athur Brühlmeier in seinem begleitenden Vortrag die von ihm in aufwändiger Recherche aufgedeckte Geschichte dieser Büste darstellte.
Der bayerische König Ludwig I. hatte 1808 noch als Kronprinz an den renommierten Bildhauer Joseph Maria Christen den Auftrag zur Anfertigung einer Marmorbüste von Pestalozzi für seine geplante Walhalla, eine Ruhmes- und Ehrenhalle für bedeutende Persönlichkeiten „teutscher Zunge“, erteilt. Zur Vorbereitung dieser Arbeit nahm Christen Ende 1808 In Yverdon von Pestalozzi eine Lebendmaske ab, das 1809 gebrannte Original befindet sich heute im Besitz der Gottfried Keller-Stiftung. Die von Christen gefertigte Büste aber entsprach nicht den Vorstellungen des Auftraggebers, denn Christen hatte die Büste vertragswidrig aus Splügenmarmor und nicht aus weissem Carraramarmor gefertigt. So kam die Büste Pestalozzis nicht in die ab 1830 von dem berühmten Architekten Leo von Klenze erbaute Walhalla in Donaustauf bei Regensburg. Schliesslich fand Brühlmeier die von Christen gefertigte Pestalozzi-Büste aber im Depot der Neuen Pinakothek in München, dort nach grösseren Bruchschäden restauriert. Es ist deutlich zu erkennen, dass die von Christen gefertigte Büste in der Tat vom Material her nicht in die Reihe der anderen Marmorbüsten in der Walhalla gepasst hätte.
Christen hatte für seine Marmorbüste zwei Gipsentwürfe angefertigt. Ein patiniertes Gipsoriginal sandte er Pestalozzi nach Yverdon, das sich heute nach einer Schenkung von Pestalozzis Enkel Gottlieb an die Regierung des Kantons Aargau, im Besitz des Kunsthauses Aarau befindet. Ein zweites Gipsoriginal, nachdem Christen die Marmorbüste geschaffen hatte, ist heute nicht mehr auffindbar. Im Depot Schönenwerd des Kunsthauses Aarau fand Brühlmeier neben der patinierten Gipsbüste einen Bronzeabguss dieses Gipsoriginals aus dem Jahr 1949. Auf Initiative des „Vereins Pestalozzi im Internet“ wurde diese Bronzebüste dem Berufsbildungsheim Neuhof leihweise überlassen und konnte am 14. Mai feierlich enthüllt werden. Dass Pestalozzi auf dieser Büste eher einem antiken Helden ähnelt, obwohl Christen mit der Lebendmaske Pestalozzis doch ein lebensechtes Muster für seine Büste besass, ist sicher den Vorgaben und der Aufgabenstellung, eine Marmorbüste für die Walhalla des bayerischen Königs zu erschaffen, geschuldet.
Die beiden oben angeführten Bücher können in Deutschland über Gerhard Kuhlemann (u.kuhlemann@t-online.de) oder in der Schweiz über Arthur Brühlmeier (arthur@bruehlmeier.info) bzw. Roger Dettling (roger.dettling@phlu.ch) bezogen werden:
- Brühlmeier, Arthur: Gesucht und entdeckt: Die Walhalla-Büste Heinrich Pestalozzis. Hrsg. vom „Verein Pestalozzi im Internet“. 2014, 96 S. (€ 16.- / SFr 20.-).
- Erziehung mit Herz, überall und jederzeit zum Wohl der Kinder. Internationales Pestalozzi-Symposium Schweiz-China. Hrsg. von Roger Dettling u. Zhengxiang Gu. Shanghai 2014, 335 S. (€ 20.- / SFr 25.-).
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Prof. Dr. Gerhard Kuhlemann
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