Meine getreue Schulthess. Aus dem heimlichen Briefwechsel zwischen Anna Schulthess und Heinrich Pestalozzi.
Johann Heinrich Pestalozzi
Hrsg. v. Dagmar Schifferli u. Brigitta Klaas Meilier. Zürich: Werd 1996. 224 S.
Mit dieser Ausgabe sind Pestalozzis Brautbriefe erstmals als bearbeitete Einzelschrift ediert, die sich vor allem an ein historisch, biographisch und/oder literarisch interessiertes Publikum wendet. Nicht das pädagogische Interesse an Pestalozzi, also die Brautbriefe als Dokumente der Genese seines pädagogischen, gesellschaftspolitischen oder sozialkritischen Denkens, bestimmt die Ausgabe, sondern die Dokumentation eines für die Schweiz seltenen Zeugnisses aus dem Zeitalter der Empfindsamkeit um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Die Brautbriefe sind Zeugnisse für die Liebe zweier Menschen gegen den massiven Widerstand der Brauteltern und gegen die Konventionen der Zürcher Gesellschaft und sind zugleich Zeugnisse für die Vorboten einer neuen Zeit, die bereits gefühlt und ausgedrückt wird, die ihre konkrete Sprache aber erst gegen Ende des Jahrhunderts mit und nach den Umwälzungen der Französischen Revolution von 1789 und der Helvetischen Revolution von 1798 finden sollte. Die Ausgabe gliedert sich in drei Komplexe: "Die erste gemeinsame Zeit in Zürich Mai bis September 1767" (S. 7-59), "Heinrich Pestalozzis Lehrzeit in Kirchberg September 1767 bis Mai 1768" (S. 61-112) und "Von der Rückkehr nach Zürich im Mai 1768 bis zur Heirat im September 1769" (S. 115-184). Sie beschränkt sich auf eine Auswahl von 98 der insgesamt 468 Briefe mit zusätzlichen Auslassungen innerhalb einzelner Briefe. Der Charakter eines Briefwechsels bleibt trotz der Beschränkung auf weniger als ein Viertel des Textvolumens erhalten, da diese ohnehin nicht exakt wechselseitig abgefaßt sind und sich nur wenig direkt aufeinander beziehen. Nicht der pädagogische Schriftsteller spricht aus den Briefen, sondern der um landwirtschaftliche Kenntnisse bemühte Pestalozzi, der seine Zukunft in der Bewirtschaftung eines Landguts sieht und dabei träumerisch ein Bild seiner zukünftigen kinderreichen Familie malt.