| Jferten den 17ten Jenner 18078 |
| Liebe Eltern! |
| Die letzeten 14 Tage des vergangenen |
| Jahres wendeten die Zöglinge des |
5 | Jnstetuts die Zeit dazu an um ihren |
| Eltern ein Neujahrsheft zu machen |
| um ihnen zu zeigen was und wie |
| wier dieses Jahr gelernt haben. |
| Die drey letzten Tage machten die |
10 | Lehrer Anstalten um den Zöglingen |
| eine Freude zu machen. Am |
| Sylvester Morgen stuhnden viele |
| Knaben ohne geweckt zu werden |
| früher auf, als gewöhnlich, und |
15 | giengen vor das Schlafzimer |
| der andern um sie auszulachen; |
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| diese aber schloßen die Thüre und sthunden |
| nachher miteinander auf so das keiner |
| der Letzte wurde, und giengen paarweise |
20 | mit zwey Pfeiffern voraus durch den |
| Hof und dan vor das Zimer des |
| Herren Pestalozzj. Herr Pestalozzj |
| küßte uns alle und führte uns |
| ganz still vor das Zimer der |
25 | Frau Pestalozzj dort sang man |
| ein paar Lieder. Frau Pestalozzj |
| dankte uns und küßte uns alle. |
| Nachher gieng man zum Gebett, |
| Herr Pestalozzj bat uns herzlich, |
30 | wir sollen den letzen Tag still und ruhig |
| zubringen und nachdenkenken |
| wie wir das Jahr zugebracht und |
| ob wir den Eltern Freude gemacht |
| haben. |
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35 | Wir sollen den letzten das neue Jahr |
| beßer zubringen als das Alte |
| und uns nicht nur ganze Jahre |
| zuzubringen sondern man soll jeden |
| Augenblick gut zubringen weil man |
40 | leicht Jahre verliert wen man zu |
| den Augenblicken nicht sorgtragt |
| weil nur der gegenwärtige Augenblick |
| unser und weil man die verlorne zeit |
| nicht einholen köne. Nachmittags zog |
45 | die Compagnie welche aus etwa 80 |
| Zöglingen des Jnstetuts besteht. |
| hinter den See und exerzierten im Feuer |
| Es waren sehr viele Zuschauer zugegen |
| welche sagten die Knaben exerzieren |
50 | sehr gut, um Halbfünf Uhr zogen wir |
| durch die Stadt nach Hause. Nach fünf |
| Uhr gieng man zum Nachteßen |
| Herr Pestalozzj wollte das alles was |
| zum Jnstitut gehört sich miteinander |
55 | freuen solle. |
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| deßwegen er eine große Mahlzeit |
| veranstaltete es waren in einem |
| großen Saale 217 bis 220 Personen |
| und alle waren fröhlich Herr und Frau |
60 | Pestalozzj waren in der Mitte wier |
| um sie herum wie Kinder um |
| dieihre Eltern. Nach der Mahlzeit |
| welche etwa zwey Stunden daurte |
| führte man uns in einen andern |
65 | Sall worin die Transparente aufgestelt |
| waren welche 1806 und 1807 aufgestelt |
| wurden um den Knaben welche |
| damals schon hier waren zu zeri£ern |
| wie ma£ es damals machte und denen |
70 | welche noch nicht hier waren zu zeigen was |
| ma£ damals gemacht habe. In einem Zimer |
| neben diesem Saale gaben einige Knaben |
| mit ihren Lehreren ein Conzert welches |
| uns sehr Freute machte |
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75 | Aber noch mehr wurden wir gerührt |
| da man uns in einen andern Saal zum |
| Gebet führte. An der Wand sah ma£ |
| eine mit Laubumwundene Flamenschrift |
| mit folgenden Worten Ach ! wiederum |
80 | ein Jahrverschwunden . Es waren die |
| Anfangsworte eines Liedes welches man |
| nachher sang. Nachher redete Herr |
| Pestalozzj mit uns über den Wechsel des |
| Jahres und sagte uns wir sollen doch |
85 | nicht ohne Nacdenken und Gebett für |
| uns und für unsre Eltern und allen |
| Menschen einschlafen; nachher sang |
| man noch das Lied Begleitt uns Herr |
| mit deinem Segen u.s.w. und die |
90 | Lehrer führten uns in unsre |
| Schlafzimer |
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| Am Neujahrstag Morgen weckte man |
| uns um 7 Uhr stellte ma£ uns in eine |
| Reihe und führte uns in den großen Saal |
95 | da wir den Tag zuvor die Mahlzeit hatten |
| im ersten Augenblick wurden wir sehr |
| überrascht den der Saal war wie ein |
| Tempel ausgeschmückt. Jm Hintergrund |
| war eine Wand von jungen Ta£en |
100 | und grünen Zweigen aufgeführt |
| an welcher drey Bogeneingänge wie |
| in drey Aleen angebracht wurden. |
| Ueber den grösten Eingang war |
| wieder eine Flamenschrifft mit folgenden |
105 | Worten Wandelt im Licht. Jm Hintergrunde |
| dieses Einganges leuchtete aus einer Nische |
| ein großes Oehlgemälde darauf die |
| Ganze Gegend von Jfferten mit dem |
| Neuenburgersee und seinen zwey Ufern |
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110 | die ganze Gegend war wie am helsten |
| Somertage dargestellt. Zwischen denm Jnern |
| und den zwey Äüsern und Eingängen |
| waren zwey Altäre auf jedem von diesen |
| zwey Altären war eine mit Blumen gekränzte |
115 | Urne auf der vordern Seite des einen |
| Altares stand folgende Jnschrift |
| Nicklaus von Flüe Unsträflich war |
| sein Knabenleben. auf der vordern |
| Seite des andern Altares |
120 | Ulrich Zwingliden Leib könen sie |
| tödten aber die Seele nicht |
| | nüber |
| Dem großen Gemählde gege"ber stand |
| das Brustbild Willhelms Telles mit |
125 | folgender Jnschrift an der linken Seite |
| Der bravem Man denkt ansich selbst zu letzt |
| |
| An der Vorseite. Vertrau auf |
| Gott und rette den Bedrängten |
| An der rechten Seite. Er führt zum |
130 | Ziel was er auch unternomen |
| Der Übrige Theil des Saales war mit |
| Blumen-Kränzen ausgeziert. |
| Die Zöglinge standen in mehreren |
| Halbkreisen gegen das Gemählde |
135 | gekehrt Die Lehrer was zum Jnstitut |
| gehörte auf den Seiten. Zwischen uns |
| und den Gemählden war Vater Pestalozzj |
| nachdem wir das Lied Begleit uns |
| Herr mit deinem Segen gesungen |
140 | Hatten sagte uns Herr Pestalozzj |
| ohngefert folgendens. |
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| Wir haben euch in den ersten |
| Stunden des Jahres Freude machen |
| wollen und haben euch mit Licht |
145 | umgeben um euch zu zeigen das ihr |
| imer im Licht und nie im Dunkeln wandeln |
| sollet Es muß hell sein in eurem Herzen |
| und eurem Kopf wen ihr gute und kraftvolle |
| Menschen werden wollet auch haben wir |
150 | euch mit Denkmälern umgeben von |
| Männern an welche ma£ noch heute mit |
| Freude und Dank denkt. kehret euch um |
| und sehet das Bild Wilhelm Tell welcher |
| das Bedrängte-Vaterland von Unrecht und |
155 | Gewalt geretet hat kehret euch wieder |
| um und seht hier das Denkmal Nickklaus |
| von Flue welcher mit wenig Worten das die |
| entzweiten Schweizer vereinigte dieses |
| Altar eri£ert uns an U: Zwinglj ein |
160 | Schweizerischer Geistlicher und machte als man |
| die Religion mißbrauchte eine beßre |
| Kirchen-Verfaßung. |
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| und legte den Grund zu unsern Schulen |
| dadurch machte er sich verehrt nach dem uns |
165 | Herr Pestalozzj noch einige guten Lehren |
| gegeben hatte giengen wir um die Gemählde |
| herum betrachteten sie noch genauer bis um |
| halb 10. Uhr. Gegen 11. Uhr versamelte |
| sich alles was zum Jnstitut gehörte um |
170 | den Hausgottesdienst anzuhören welcher uns |
| sehr wohl gefiel. nachher bekamen wir unsre |
| Neujahrsgeschenke Alle freuten sich sehr. |
| Nachher folgte ein großes Mitageßen wir |
| frunken auf die Gesundheit des Herrn und Frau |
175 | Pestalozzj und für unsre Eltern. um fünf |
| Uhr giegen wir hinter den See wo man |
| eine ganze Stunde lang Feueuerwerk loß ließen. |
| nachher folgte einen Ball welcher bis |
| um zwey Uhr währte nachher giengen |
180 | wier zur Ruhe |
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| Liebe Eltern |
| Jch habe euch dieß Neujahr sehr kurz erzählt |
| was ich zum Neujahrs geschenk bekam war ein |
| Federmeßer und ein Buch und das was ihr |
185 | mir schicktet ich danke euch sehr darfür |
| es freute mich auch wieder etwas von [m]einer Schwester |
| und von meinem Bruder zu sehen Lebet recht wohl |
| Jch grüße euch ins Gesant |
| verbleibe euer getreuer Sohn |
190 | Joh: Marty. |
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| An Herren |
| Joh. Marty Wirth |
| in YVERDON |
| Fraubronnen |
195 | Kanton Bern |