Lieber Herr Escher. Zeitgeschichtliche und autobiographische Zuschrift. Kritische Ausgabe mit Faksimile der Handschrift.
Johann Heinrich Pestalozzi
Bearb. v. Stefan Graber, Basil Rogger u. Kurt Werder. Zürich: Verl. Neue Zürcher Zeitung 1996. 20 S.
Für diesen Separatdruck einer im Verhältnis zum gesamten Brief- und Werkumfang sehr kleinen Schrift vermutlich aus den Jahren 1804/05, keinem in sich geschlossenen Werk, aber auch keinem eindeutigen Brief und von den Bearbeitern deshalb als eine "zeitgeschichtliche und autobiographische Zuschrift" bezeichnet, sprechen zwei Gründe: ein inhaltlicher und ein formal-editorischer. Der inhaltliche Reiz ergibt sich aus der Bedeutung des Textes, in dem Pestalozzi vom Kampf seines Lebens für Wahrheit und Gerechtigkeit schreibt und diesen an Kindheits- und Jugenderfahrungen bindet. Die in dieser Schrift berichteten Kindheits- und Jugenderinnerungen, die Bestechlichkeit des Lehrers Weber, der trunksüchtige prügelnde Musiklehrer Kaufmann, die einzige Erinnerung des Sechsjährigen an den früh verstorbenen Vater und die dümmliche Furchtlosigkeit 1755 während des großen Erdbebens von Lissabon werden nur in diesem kurzen Text geschildert. Die autobiographische Bedeutung des Textes wird daran sichtbar, daß er nicht in einem einmaligen Vorgang flüssig und schnell heruntergeschrieben ist, denn die faksimilierte Wiedergabe des Manuskripts zeigt die konzentrierte Arbeit Pestalozzis an diesem kurzen Text, an dem er fast bis zur Unlesbarkeit gefeilt und korrigiert hat. Der editorische Reiz dieser faksimilierten Textausgabe liegt in dem visualisierten Umgang mit Texten in Rahmen einer modernen wissenschaftlichen Textedition. Die Ausgabe gewährt sowohl einen Blick in die Werkstatt des Autors als auch in die des Editors. Dem edierten Text liegt die jeweils letzte Textschicht zugrunde, aber alle Textvarianten des von Pestalozzi stark redigierten Textes sind am Fuß des edierten Textes verzeichnet und können so leicht rekonstruiert werden.